TV-Spots sollen Afrikaner abschrecken

AP
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Die Schweiz veröffentlicht Schock-Kampagne und präsentiert sich von der schlechtesten Seite. Die EU zieht mit.

Brüssel/Wien/Bern. „Danke, es geht mir gut. Ich wohne bei Freunden und bin schon an der Universität inskribiert.“ Was Christian seinem Vater in Kamerun telefonisch von seinem Leben in der Schweiz erzählt, deckt sich nicht mit den Bildern, die zeitgleich vor den Augen des Betrachters ablaufen: Der junge Afrikaner wird gezeigt, wie er auf der Straße schläft, um Essen und Hilfe bettelt und von der Polizei verfolgt wird.

Illegaler Immigration vorbeugen

TV-Spots wie dieser werden derzeit unter Federführung der Schweizer Regierung im Rahmen einer breiteren Kampagne in Kamerun und in Nigeria ausgestrahlt, eine Ausweitung auf den Kongo ist im Gespräch. „Wir wollen keine Asylwerber abschrecken“, erklärt dazu Jonas Montani vom Schweizer Bundesamt für Migration (BFM), „vielmehr geht es um eine Sensibilisierung bezüglich illegaler Immigration. Wir wollen, dass sich die Leute keine Illusionen machen.“

Die Idee für die „Schockkampagne“, die nun auch Kritik hervorruft, kam vom BFM, umgesetzt wurde sie von der in Genf ansässigen Internationalen Organisation für Migration (IOM). Mit dem Werbespot soll den Afrikanern drastisch vor Augen geführt werden, was sie nach der Flucht in das vermeintliche Paradies erwarten könnte. „Leaving is not always living“, heißt es im Abspann. Laut Montani ziele man auf afrikanische Länder ab, aus denen Wirtschaftsflüchtlinge nach Europa strömen. Vor Ort arbeite man mit den Behörden zusammen. Da die Kampagne erst seit etwas mehr als einem Jahr läuft, lassen sich allfällige Erfolge noch nicht beziffern.

Auf das Schweizer Projekt ist mittlerweile auch die EU aufgesprungen. Die Kommission in Brüssel bestätigte am Dienstag, dass der Anti-Einwanderungs-Spot von der EU kofinanziert wird. Und zwar aus dem sogenannten Aeneas-Programm der 27 Mitgliedstaaten, mit dem Projekte zu den Themen Immigration und Asyl in der dritten Welt gefördert werden. Die IOM gab fast 1,5 Millionen Euro für die umstrittene Kampagne aus, die insgesamt 36 Monate laufen soll. Das Geld für das Projekt „Dialog EU – Maghreb“ komme zu einem großen Teil von der EU, aber auch die Schweizer und spanische Regierung würden Mittel zuschießen. Die IOM-Kampagne werde sich auch auf andere afrikanische Staaten erstrecken, sagte ein Sprecher von EU-Justizkommissar Franco Frattini in Brüssel.

Der Sprecher betonte, der Maghreb-Spot sei zwar von der EU kofinanziert, für die Inhalte sei aber „ausschließlich die internationale Organisation verantwortlich“. In allen Mitgliedstaaten habe man bereits 2004 auf höchster politischer Ebene wahrgenommen, dass der illegalen Immigration vorgebeugt werden müsse, um humanitäre Katastrophen bis hin zum Ertrinken von Bootsflüchtlingen auf dem Meer vorzubeugen. Informationskampagnen seien grundsätzlich sinnvolle Maßnahmen. Denn oft seien sich die Menschen, die zu einer „Hoffnungsreise“ in die EU aufbrechen, der Risiken nicht bewusst.

„Nicht länger zuschauen“

Die EU-Kommission könne „nicht mehr länger zuschauen, ohne politisch tätig zu werden“, hieß es am Dienstag. „Die Sache muss global angepackt werden, und die legale Migration muss erleichtert werden“, betonte Frattinis Sprecher. Der Kommissar drängt daher seit Monaten auf die sogenannte Blue Card – nach dem Vorbild der US-amerikanischen „Green Card“. Die EU-Karte soll Höher- und Höchstqualifizierten den legalen Aufenthalt und vor allem das Arbeiten in Europa erleichtern.

Unter den EU-Staaten ist aber weiter umstritten, welche Kriterien sie für solche Schlüsselarbeitskräfte gelten lassen wollen. Außerdem dürfte der Blue-Card-Plan doch nicht, wie von Frattini ursprünglich angestrebt, für alle Mitgliedstaaten gelten, sondern die Immigranten werden voraussichtlich für zunächst zwei Jahre in nur einem Land zugelassen, statt dass sie ohne neuerlichen bürokratischen Aufwand in andere Mitgliedstaaten weiterreisen und dort arbeiten dürfen.

ABSCHRECKUNG

In Kamerun und Nigeria werden derzeit drastische TV-Spots gezeigt – zuletzt etwa auch während der Pause des Fußball-Länderspiels zwischen der Schweiz und Nigeria –, die eine klare Botschaft vermitteln: Europa ist nicht der Kontinent, wo Milch und Honig fließen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2007)

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