Gestürmte Festung Europa

Unaufhaltbar. In Nordafrika warten 2,5 Millionen auf eine Chance, in die EU einzuwandern.

Azedine will nach Europa. Sei ne Hoffnung sind Fähren, die von Ceuta täglich auf das spanische Festland übersetzen. Und die Lkw, die von diesen befördert werden: "Ein Renault, da kann man sich über den Achsen verkeilen", erklärt er flüsternd. "Bei dem Lastwagen dort klettert man am besten auf die Ladefläche."

In Nordafrika warten 2,5 Millionen Menschen auf eine Gelegenheit, um unter Lastwagen oder auf Booten an ihr ersehntes Ziel zu gelangen. Ihr Schicksal wird in einem neuen Buch ("Gestürmte Festung Europa") zusammengefasst. Die Journalistin Corinna Milborn zeichnet darin mit zahlreichen Daten, Fakten, vor allem aber Reportagen ein dramatisches Bild.

Das Buch illustriert eine soziale Zeitbombe, gegen die Europas Politik bisher kein Mittel gefunden hat. Die einzige Reaktion auf das Problem waren bisher noch höhere Zäune, eine noch restriktivere Einwanderungs- und Asylpolitik.

Erst diese Woche hat Frankreichs Innenminister Nicolas Sarkozy einen Vorschlag für ein neues Zuwanderungsgesetz vorgelegt. Von der Erteilung von Visa und Aufenthaltsgenehmigungen bis zur Familienzusammenführung sollen alle Kriterien verschärft und die Wartezeiten verlängert werden. Frankreich ist kein Einzelfall: Die Niederlande, Dänemark, Belgien, Deutschland, Griechenland und Österreich haben die Hürden für Asylwerber und Wirtschaftsflüchtlinge in den vergangenen Jahren erhöht.

"Die Zuwanderung in europäische Länder soll so unbequem und schwierig wie möglich gemacht werden", wissen Migrationsexperten. Doch die einzige Konsequenz sind immer riskantere illegale Methoden, um nach Europa zu gelangen. Im vorigen Winter starben mindestens 1300 Menschen beim Versuch, von Mauretanien auf die Kanarischen Inseln zu kommen. Wenige Monate zuvor waren Dutzende tödlich verunglückt, die über den Zaun in die spanischen Exklave Ceuta eindringen wollten.

Die EU-Regierungen wollen die Lage der Flüchtlinge bereits in Nordafrika und Osteuropa gemeinsam verbessern. Gleichzeitig wird an einer engeren Kooperation der Grenz-Sicherheitskräfte gearbeitet. Beides dient dazu, möglichst viele Menschen vor einer Einwanderung in die Europäische Union abzuhalten.

Je schärfer die Kontrollen werden, desto mehr blüht aber das Geschäft von Schleppern. Für einen Platz in einem Flüchtlingsboot, das von Afrika in Richtung Europa übersetzt, werden bereits bis zu 3000 Euro verlangt. Selbst wer so einen hohen Preis zahlt, kommt oft nie ans Ziel. Viele sterben bei der riskanten Fahrt über das Mittelmeer oder werden von europäischen Sicherheitskräften aufgegriffen und wieder zurückgeschoben. Die EU hat erst im April beschlossen, gemeinsam Flugzeuge zu chartern, um illegale Einwanderer in ihre Heimat zurückbringen.

Im Buch "Gestürmte Festung Europa" wird kein Zweifel daran gelassen, dass die erschwerten Bedingungen den Zustrom nach Europa nicht aufhalten werden. Denn die wirtschaftliche Lage in zahlreichen Ländern des afrikanischen Kontinents bietet der Bevölkerung kaum noch Zukunft.

Milborn schreibt: "Wir leben in einer globalisierten Welt, in der Europas Reichtum täglich über die Fernsehschirme auf der gesamten Welt flimmert und in der Güter, Dienstleistungen und Geld grenzenlos quer über den Globus verschoben werden. Diese Entwicklung macht auch vor Menschen nicht halt. Migration ist ein Phänomen, das stattfindet - ob man will oder nicht."

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