Armenier-Massaker: Türkei droht Frankreich

Frankreich will Leugnung unter Strafe stellen.

Ankara/PARIS (AFP, m.h.). Der seit Monaten schwelende Konflikt zwischen Frankreich und der Türkei um den Völkermord an Armeniern (1915-17) droht zu eskalieren. Ankara geht in diesem historischen Streit nun auf Totalkonfrontation. Die türkische Regierung drohte Frankreich Wirtschafts-Sanktionen an, sollte diese Woche in Paris ein neues Gesetz verabschiedet werden, das die Leugnung des Genozids unter Strafe stellt. Vorgesehen ist eine Haftstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldbuße von bis zu 45.000 Euro. Die Strafe könnte auch bei eingereisten Türken angewandt werden, gegen die eine Anzeige vorliegt.

Bei einer Verabschiedung dieses Gesetzes würde die Türkei nicht in der Lage sein, französische Partner an Großprojekten zu beteiligen, warnte Außenminister Abdullah Gül am Wochenende in einem Interview mit der türkischen Zeitung "Hürriyet". Und Regierungschef Recep Tayyip Erdogan legte nach: "Das ist eine Sache zwischen der Türkei und Armenien - das ist nicht Frankreichs Angelegenheit." In Frankreich leben allerdings heute 450.000 Personen armenischer Abstammung.

Die Nerven in Ankara liegen wohl auch deshalb blank, weil sich Frankreich zum größten Stolperstein eines EU-Beitritts entwickelt hat. Nicht genug, dass Staatspräsident Jacques Chirac ein Referendum über den türkischen Beitritt angekündigt hatte. Auch nicht genug, dass Innenminister Nicolas Sarkozy, der möglicherweise nächste Präsident, bei jeder Gelegenheit gegen einen EU-Beitritt Ankaras polemisiert. Nun auch das noch: Nach mehrmaligen Verzögerungen wird die französische Nationalversammlung an diesem Donnerstag über das von den oppositionellen Sozialisten vorgelegte Armenier-Gesetz abstimmen.

Im letzten Moment kommt nicht nur aus Ankara, sondern auch aus Brüssel Druck, die Gesetzesinitiative abzublasen. EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn appellierte an Paris, auf ein solches Gesetz zu verzichten. Denn es könnte bei der Aufarbeitung der Geschichte nur "kontraproduktiv" wirken.

Die Verabschiedung ist sowieso ungewiss. Die linke Minderheit in der Nationalversammlung dürfte zwar mehr oder weniger geschlossen dafür votieren, noch unklar ist aber die Haltung der Mehrheit der Regierungspartei UMP. Sie will heute, Dienstag, ihre offizielle Position festlegen.

Bei seinem kürzlichen Armenien-Besuch hatte Staatspräsident Chirac in Erewan unmissverständlich erklärt, die Anerkennung dieses Völkermords aus der Zeit des Osmanischen Reichs sei eine Bedingung für einen EU-Beitritt der Türkei. Zur Debatte über den Gesetzesentwurf, der die Genozid-Leugnung explizit als Straftat definiert, sagte Chirac allerdings, das sei eine "unnötige Polemik". Denn das französische Gesetz stelle ja bereits jeden Aufruf zu rassistischer Gewalt oder Diskriminierung unter Strafe.

Innenminister Nicolas Sarkozy, der zugleich als Parteichef der regierenden UMP fungiert, könnte sich vorstellen, dass Frankreich unter drei Bedingungen auf die Kriminalisierung der Genozid-Verleugnung verzichtet: Dass eine bilaterale paritätische armenisch-türkische Kommission eingesetzt werde; dass die Türkei die Grenze zu Armenien öffne und dass Ankara auf die Gesetzgebung verzichte, die es verbietet, über den Genozid in Armenien zu reden.

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