Interview: „FPÖ ist eine Partei gesichtsloser Apparatschiks“

Rechtes Lager ohne Ideologie und Führungs-persönlichkeit: Lebt vom „Gezeter der Gegner“.

WIEN. In der FPÖ würden gesichtslose „Apparatschiks“ herrschen – „ausgerechnet in jener Partei, die sich früher dem Kampf gegen das Apparatschiktum der Großparteien verschrieben hat!“ Der Historiker Lothar Höbelt, langjähriger kritischer Wegbegleiter des einstigen Dritten Lagers, geht mit den Blauen hart ins Gericht.

Einen Zerfall der Partei ortet er – trotz Krisen in einigen Landesorganisationen und des Abgangs von Ewald Stadler – nicht. So eine echte Krise würde Höbelt sogar positiv beurteilen, ergäbe sich damit doch eine Erneuerungschance der Partei. Doch FP-Obmann Heinz-Christian Strache, den er als „Getriebenen“ betrachtet, habe bisher alles unbeschadet überstanden. Das Wählerreservoir der FPÖ sei vorhanden, wenn auch eine klare Partei-Ideologie fehle.

FPÖ auf „Links-Kurs“

Inhaltlich sei sie – ausgenommen bei Ausländer- und Familienpolitik – „auf eindeutigem Links-Kurs“. Das BZÖ habe dem auch nichts Eigenständiges entgegenzusetzen. Dass SPÖ und ÖVP nach Meinung Höbelts die Augen vor den Folgeproblemen der Immigration verschließen, helfe der FPÖ – und den Grünen. Aber hauptsächlich lebe die FPÖ „vom Gezeter ihrer Gegner“. Das Deutschnationale und das Liberale spielten ideologisch im rechten Lager keine Rolle mehr, hätten sogar einen schalen Beigeschmack bekommen – Stichwort Deutschland als EU-Erfüllungsgehilfe, Stichwort „neoliberal“.

Wobei der Historiker überraschende Parallelen zu anderen Parteien zieht: „Wo ist der Marxismus bei der SPÖ, wo der Katholizismus bei der ÖVP?“ Auch anderswo fehle es an Ideologie sowie an starken Führungspersönlichkeiten. Die Ära der großen, medial wirksamen Figuren sei vorbei.

Für die SPÖ sei Strache allerdings ein idealer blauer Parteichef, glaubt der Historiker. Weil dieser kein Interesse am Regieren und an einer Zusammenarbeit mit der ÖVP habe – die größte Sorge der Sozialdemokraten während der Regierungsverhandlungen. Deshalb habe Alfred Gusenbauer auch nicht vor, Strache zu destabilisieren. Die SPÖ selbst beabsichtige nicht, mit den Blauen zu koalieren, hätte diese Variante aber gerne als Karte im Talon, die im Notfall spielerisch eingesetzt werden könne, glaubt der Historiker.

Den Hinauswurf des früheren Volksanwalts Ewald Stadler aus der FPÖ betrachtet Höbelt als unnötig. Jene Leute, die „kontrovers artikulationsfähig“ seien, hätten in der Partei keine Lobby mehr. Stadler sei nicht intrigant, wie behauptet werde, aber immer Sprachrohr der Kritischen gewesen, ohne selbst über ein intaktes Netzwerk zu verfügen.

Dass FPÖ und BZÖ wechselseitig eine Wiedervereinigung ausschließen, findet Höbelt grotesk. Ab der zweiten Reihe, die nicht ins Hick-Hack verwickelt sei, gebe es untereinander keine Ressentiments.

„Triumph der Dummheit“

Wie schaut die Zukunft der FPÖ aus? „Ich fürchte, sie wird stabil weiter vor sich hindümpeln.“ Die letzte Wahl sei ein „Triumph der Dummheit“ gewesen. Sowohl Rot als Blau hätten im wesentlichen mit der Botschaft gepunktet: „Kinder, wir waren so blöd, es geht uns schlecht, jetzt müsst's uns helfen. Das hat geklappt.“

Inline Flex[Faktbox] ZUR PERSON("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2007)


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