Ausgehungertes Bundesheer: Heer erhöht Druck auf Darabos

Norbert Darabos freut sich sichtlich über das große Los, das er gezogen hat.
Norbert Darabos freut sich sichtlich über das große Los, das er gezogen hat.(c) APA (Günter R. Artinger)
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Die Eurofighter-Diskussion überdeckt, dass die Reform des Heeres nicht finanzierbar ist. 40- bis 60-jährige Vize-Leutnants können keine junge Einsatztruppe bilden.

Wien. Der erste Eurofighter ist gestern pünktlich um 10.40 Uhr in Zeltweg gelandet, das dominierende Thema der heimischen Innenpolitik der vergangenen Monate sollte damit erledigt – und die Luftraumüberwachung für die nächsten 30 Jahre damit geklärt sein.

Für Verteidigungsminister Norbert Darabos kehrt aber keineswegs Ruhe ein. Im Gegenteil: Im Bundesheer rumort es, Unmut über den Minister wird hinter vorgehaltener Hand schon lautstark verbreitet. Und es geht dabei nicht um das Streitthema Eurofighter, sondern um die Zukunft des Bundesheeres.

Kernvorwurf an den Minister, der die ersten sechs Monate seiner Amtszeit hauptsächlich mit dem Abfangjägerstreit beschäftigt war: Mit der Bundesheerreform ist in dieser Zeit nicht viel weitergegangen. Und die sollte die Weichen stellen für das Heer der Zukunft.

Am stärksten wird Darabos angekreidet, dass er es nicht geschafft hat, die finanziellen Voraussetzungen für die Heeresreform zu schaffen. Die Bundesheer-Reformkommission hat klare Vorgaben gemacht, welche Mittel in Zukunft notwendig sein werden: ein Verteidigungsbudget von einem Prozent des BIP sowie eine Milliarde Euro an „Anschub-Finanzierung“.

Hoffnungslos unterdotiert

Von beidem ist Darabos weit entfernt. Das Verteidigungsbudget liegt bei 0,84 Prozent des BIP, wobei da die Raten für den Eurofighter schon einberechnet sind. Ohne Anschaffungskosten bekommt der Minister gerade einmal magere 0,66 Prozent des BIP – oder 916 Millionen Euro weniger, als von den Experten empfohlen. Ähnlich schaut es mit der Milliarde Anschub-Finanzierung aus: Diese sollte aus dem Verkauf der Kasernen kommen, der aber deutlich weniger, etwa 300 bis 400 Millionen, bringen wird. Einen Teil davon hat sich Darabos noch dazu von Finanzminister Wilhelm Molterer für das heurige Budget abknöpfen lassen.

Will Darabos die Heeresreform noch ernsthaft angehen, wird er um mehr Budgetmittel kämpfen müssen. Bekanntlich soll die Mannschaftsstärke auf 55.000 halbiert werden, die aktive Truppe dafür professionalisiert und besser ausgerüstet. Und dafür sind jede Menge Anschaffungen notwendig: vom Truppenfunk über Transportfahrzeuge, leichte Panzerfahrzeuge, Hubschrauber bis hin zu neuen Kampfanzügen. Alleine diese Anschaffungen werden auf 600 Millionen Euro geschätzt. Dazu kommt noch die notwendige Sanierung von Kasernen, die sich teilweise in einem desolaten Zustand befinden.

Dazu steht der Minister noch vor einer Reihe von personellen Herausforderungen. Da ist zunächst einmal die Reform der „Zentralstellen“. Während die Truppe bereits unter Minister Günther Platter eine neue Struktur verpasst bekommen hat, sind Ministerium und Generalstab immer noch in einem Zustand, den Eingeweihte als aufgebläht bezeichnen. Rund dreihundert der 1000 Mitarbeiter können eingespart werden. Positiver Nebeneffekt für den Minister: Er kann die Generalstabsspitze mit seinen Vertrauensleuten besetzen.

Überalterte Truppe

Wesentlich schwieriger zu lösen ist das strukturelle Problem: Die Truppe ist heillos überaltert, 40- bis 60-jährige Unteroffiziere bilden die Mehrheit – und passen so gar nicht in das Bild einer jungen, agilen Einsatztruppe, die man eigentlich schaffen will. Auch wenn es in der Öffentlichkeit unpopulär ist: Dieses demografische Problem wird sich nur mit Frühpensionierungen lösen lassen. In Zukunft sollte es nicht mehr entstehen: Neu eintretende Soldaten erhalten nur noch Zeitverträge und müssen das Bundesheer nach einigen Jahren wieder verlassen.

Noch ein Problem: Durch die Reduktion des Grundwehrdienstes auf sechs Monate und die damit entfallenden Truppenübungen wird es immer weniger Freiwillige für die Miliz geben. Damit entfällt aber auch der Grundstock für internationale Auslandseinsätze, die rein personell schon bald gefährdet sein könnten. Darabos versucht gegenzusteuern, indem er finanzielle Anreize für Freiwillige setzt. Ob dies ausreichen wird, ist allerdings mehr als fraglich.

DIE HEERESREFORM

Das Bundesheer steht mitten in einem Umstrukturierungsprozess:

Die Gesamtstärke wird von 110.000 auf 55.000 Mann reduziert, statt sechs Kommanden gibt es nur noch zwei, die Militärkommanden in den Ländern werden abgeschlankt. Statt 36 Bataillonen gibt es nur noch 27.

Der Grundwehrdienst ist bereits auf sechs Monate verkürzt, die Truppenübungen entfallen.

Rund 40 Prozent der Liegenschaften und Kasernen werden verkauft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2007)

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