Buchinger: „Lafontaine gefällt mir weitgehend gut“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Über die Linke und den Glauben an Gott, das soziale Denken des „Geldadels“ und das Gute an der Globalisierung.

Die Presse: Vier Prozent mehr Lohn für alle, Verlängerung der Frühpension, höhere Versicherungsbeiträge für Arbeitgeber, die keine älteren Arbeitnehmer beschäftigen - ist das alles ernst gemeint oder wollen Sie im Sommerloch einfach Ihr Robin-Hood-Image kultivieren?

Erwin Buchinger: Das ist ernst gemeint. Weil es notwendig ist, die aus der Balance geratene soziale Entwicklung wieder ins Lot zu bringen. Es wurden große Gewinne gemacht, die Manager-Gehälter sind im Schnitt um 13 Prozent gestiegen, während die Masseneinkommen deutlich unter der Entwicklung lagen. Die Netto-Einkommen sind in den letzten zehn Jahren de facto gleich geblieben.


Die Erleichterung der Frühpension widerspricht allen Trends in Europa. Selbst die Mitte-links-Regierung in Italien baut nun das Pensionssystem um.

Buchinger: Sie hebt das Antrittsalter von 58 auf 60 - dort sind wir schon. Mit der Pensionsreform hat Schwarz-Blau eine Reihe von Änderungen durchgeführt, die zu einem großen Teil außer Streit stehen. Was wir korrigieren, sind Härten. 45 Beitragsjahre sollten ausreichen, um abschlagsfrei in Pension gehen zu können.


Wie links ist Erwin Buchinger?

Buchinger: In der Regierung gehöre ich sicher zu jenen, die am deutlichsten links stehen. Sozialer Ausgleich, Gerechtigkeit _ das sind für mich hohe Anliegen. Da kann es nicht nur individuelle Beiträge im Sinne einer Caritas geben, sondern es braucht gesellschaftlich-strukturelle Institutionen.


Also den Staat.

Buchinger: Der Markt, die innovativen Unternehmen sorgen für Dynamik - die braucht es auch. Ein Mehr an Wohlstand kann nur entstehen, wenn es eine starke Wirtschaft gibt. Aber: Der Markt für sich nützt den Starken. Das führt ungesteuert zu einem Auseinanderdriften der Gesellschaft. Da braucht es den Staat, der für Regeln sorgt. Die richtige Balance, der Mix aus Markt und Staat - das ist die eigentliche politische Kunst.


Wie gefällt Ihnen Oskar Lafontaine?

Buchinger: Oskar Lafontaine gefällt mir weitgehend gut. Er ist aber, wenn er nicht in Regierungsverantwortung ist, nicht davor gefeit, unrealistische Forderungen aufzustellen. Die Kunst der Politik ist es zwar, Forderungen zu stellen, die ein Stück über der Schwelle liegen - frei nach Che Guevara: Man muss das Unmögliche anstreben, um das Mögliche zu erreichen - aber Lafontaine ist oft zu weit von dem weg, was möglich ist. Weil er eben in Opposition ist.


Lafontaines neue Linkspartei müsste also in eine Koalition mit der SPD und den Grünen?

Buchinger: Das ist aus meiner Sicht vorstellbar. Ich würde da keine Angst davor haben. Und Lafontaine würde moderater werden.

Die Gründung der Linkspartei in Deutschland war die Folge einer als zu "neoliberal" empfundenen sozialdemokratischen Kanzlerschaft. Wäre so eine Entwicklung auch in Österreich möglich?

Buchinger: Nein. Die Sozialdemokratie in Österreich ist traditionell sehr breit aufgestellt: von rechts der Mitte bis links.


Und Erwin Buchinger sichert die linke Flanke ab.

Buchinger: Ja. Mein Vorhaben einer Milderung der Pensionsreform ist eben etwas ganz anderes als die Ankündigung in Deutschland, das Antrittsalter auf 67 zu heben.


Man sagt Ihnen nach, dass Sie als Salzburger AMS-Chef der Arbeitgeberseite gegenüber durchaus sehr konziliant waren.

Buchinger: Ja, das war ich. Und das bin ich auch weiterhin. Ich halte nichts von klassenkämpferischen Parolen. Das Wichtigste ist ein fairer Interessenausgleich.


Wie kommt Ihre linke Gesinnung bei den Salzburger Festspielen an, die Sie eifrig besuchen? Werden Sie zur Seite genommen, raunt man Ihnen zu: "Herr Minister, muss das sein . . ."

Buchinger: Das gibt es. Ich erfahre aber gerade auch in Gesellschaftskreisen, wo man es nicht vermuten würde, Zustimmung. Es überrascht mich immer wieder, wie sehr der Geldadel - ich nenn' das jetzt einfach so - Verständnis hat für soziale Fragen. Es ist die Einsicht, dass Armut in der Gesellschaft letztlich auch das Wohlgefühl der Begüterten stören kann.


Sie haben einmal gemeint, Sie könnten auch Mitglied einer christlich-sozialen Partei sein.

Buchinger: Ich habe auch christlich-soziale Wurzeln. Meine Mutter war Religionslehrerin. Konsequente Christlich-Soziale unterscheiden sich kaum von Sozialdemokraten. Der einzige Unterschied aus meiner Sicht ist, dass ein Christlich-Sozialer seine Begründungen auch aus dem Religiösen schöpft.


Sind Sie gläubig?

Buchinger: Ich bin katholisch, gehe nicht regelmäßig, aber doch in den Gottesdienst. Ich bin gläubig in dem Sinne, dass ich die Kraft der Nächstenliebe aus einem spirituellen Gott schöpfe, weniger aus der Fülle der Lehrsätze der katholischen Kirche.


Würden Sie den Satz - Globalisierung bringt Wohlstand - unterschreiben.

Buchinger: Ja. Wenn Globalisierung auch unter sozialen und ökologischen Gesichtspunkten stattfindet. Die Globalisierung hat für viele Teile der Erde einen Wohlstandsgewinn gebracht. Aber eben nicht für alle.


Die Arbeitslosigkeit in Österreich sinkt weiter. Ist das auch eine Folge der Globalisierung?

Buchinger: Das führe ich auf drei Momente zurück: auf die gute Konjunktur in Deutschland, auf die hervorragende Entwicklung in Mittel- und Ost-Europa und auf die gute Politik der österreichischen Regierung.


Haben Sie politische Vorbilder?

Buchinger: Man kann aus dem Leben eines Bruno Kreisky, Willy Brandt und Olof Palme viel lernen. Vor allem, wie es gelingen kann, mit klarer sozialdemokratischer Positionierung eine breite Akzeptanz bis hinein ins bürgerlich-konservative Lager zu gewinnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2007)

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