Spitäler schließen und 2,9 Milliarden Euro umschichten

Im Gesundheitssektor vermutet der Rechnungshof große Sparpotenziale. Experten bezweifeln das – außer man kürzt die medizinischen Leistungen.

WIEN.Nummer 107 im Bericht des Rechnungshofes zur Verwaltungsreform hat es in sich: Man schlägt die Umschichtung von nicht weniger als 2,9 Milliarden Euro aus dem stationären in den ambulanten Bereich vor. Was einem radikalen Abbau der Akutbetten in den Spitälern gleichkäme. Bei jährlichen Kosten von etwa 8,5 Milliarden Euro müsste man jedes dritte Spital schließen. Und das obwohl die Zahl der Akutbetten ohnehin seit Jahren reduziert wurde: 1995 waren es 57.000, 2005 nur noch 49.000.

Gesundheitsexperten reagieren dementsprechend reserviert. Clemens Martin Auer, zuständiger Sektionschef im Gesundheitsministerium, meint: „Die 2,9 Milliarden sehe ich nicht.“ Außerdem könne man bei einer Verlagerung der medizinischen Leistungen nicht mit großen Einsparungen, sondern höchstens mit einer Kostendämpfung rechnen. Davor müsste man allerdings kräftig bei Haus- und Fachärzten sowie in Ärztezentren investieren. Für letzteres fehlt allerdings nach wie vor ein Gesetz, das es Ärzten erlaubt, andere Ärzte anzustellen.

Weniger zurückhaltend reagiert ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger: „Das sind Traumbüchelzahlen. Österreich würde medizinisch einer Wüste gleichen, wenn man die Betten in der Dimension von ganz Wien abbauen will.“ Der Rechnungshof sollte dann bitte sagen, welches Versorgungsniveau er sich vorstelle. Denn bei dieser Art von Rationierung würden Reiche und Städter bevorzugt.

Weniger kritisch ist Erich Laminger, Vorstandsvorsitzender im Hauptverband der Sozialversicherungsträger. „Ich kann Sparen immer etwas abgewinnen. Aber in der Dimension ist es eine Milchmädchenrechnung.“ Für Laminger liegt das Grundproblem in den ungleich verteilten finanziellen Verantwortlichkeiten im Gesundheitssystem. Die Sozialversicherungen zahlen etwa nur die Hälfte der stationär erbrachten Leistungen, hätten mit einer Verlagerung zu Haus- und Fachärzten also keine Freude und könnten sie schlicht nicht bezahlen. Laminger ist daher für eine Finanzierung aus einer Hand und würde Aufgabe – und Geld – gerne übernehmen.

Der Rechnungshof denkt ebenfalls an eine Zentralisierung, denkt aber an den Bund, der auch die Krankenhausfinanzierung übernehmen sollte. Das kann sich wiederum Auer nicht vorstellen. Das Ministerium habe gar nicht die personellen Kapazitäten, um alle 150 Krankenanstalten von Ländern und Gemeinden zu verwalten. Auer spricht sich allerdings für ein einheitliches Bundesgesetz für alle Spitäler aus. Jetzt gibt es zehn – ein Bundesrahmen- und neun Ländergesetze.

Weitere Vorschläge des Rechnungshofes: Man sollte einen fixen BIP-Anteil für die Gesundheitsausgaben festlegen. Derzeit liegt man bei 10,2 Prozent (inklusive Pflege). Durch das Vermeiden von Fehlbelegung mit Pflegefällen in Akutspitälern erwartet man sich jährliche Einsparungen von 25 Millionen Euro. 7,5 Millionen sollen Kooperationen der Spitäler bringen. Und auch von restriktiven Nebenbeschäftigungsregeln für Spitalsärzte oder neuen Regeln für Sonderklassepatienten erhofft sich der RH eine nicht näher quantifizierte „Effizienzsteigerung“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2007)

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