„60 Prozent der Uni-Ärzte haben bis zu fünf Nebenjobs“

(c) DiePresse (Clemens Fabry)
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Rechnungshof: Josef Moser fordert mehr Transparenz. Trotz guter Konjunktur seien Strukturreformen nötig.

Die Presse: Der Rechnungshof hat letzte Woche dem Finanzminister 206 Verwaltungsreform-Vorschläge übergeben. Das rief Abwehrreflexe, dann Friedhofsstille hervor. Der typische Weg jeder Verwaltungsreform?

Josef Moser: Es gibt sehr viele positive Rückmeldungen, aber auch einige skeptische, wie die der Ärztekammer. Strukturreformen sind trotz guter Konjunktur nötig. Die Regierung plant schließlich auch Maßnahmen, die finanziert werden müssen, wie die Steuerreform. Die Quote zwischen Einnahmen und Ausgaben klafft aber immer noch auseinander, die staatliche Gesamtverschuldung ist auf 159,5 Milliarden € angewachsen.

Was passiert ohne Strukturreformen?

Moser: Die Verschuldung steigt weiter an. In der Folge müssten Maßnahmen ergriffen werden, die weitaus gravierender sind als das, was jetzt vorgeschlagen ist.

Fließen ohne Reformen irgendwann 70 statt 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Gesundheit?

Moser: In Salzburg beträgt allein das für 2007 prognostizierte Wachstum der Gesundheitsausgaben 10 Prozent. Man kriegt die Kosten aber in den Griff, wenn man Effizienzpotenziale nutzt. Gewisse Strukturen im Gesundheitswesen sind nicht mehr zeitgemäß.

Ihre Ideen – Umschichtung der Gelder vom Akutspital in den niedergelassenen Bereich – standen schon in jedem Koalitionsabkommen der letzten zwei Jahrzehnte. Warum soll es ausgerechnet jetzt funktionieren?

Moser: Weil wir auch dank der Maastricht-Kriterien eingeschränkt sind und nicht mehr sagen können: Wir haben Probleme, lasst uns die Steuern erhöhen.

Es gibt doch schon Ideen für neue Beiträge: etwa die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage, indem Miet- und Pachteinnahmen unter die Sozialversicherung fallen.

Moser: Soll man auf die Ausgabenseite gehen oder lieber Reformen machen, mit denen Spielraum gewonnen wird, um anderes finanzieren zu können? Jeder, der in diesem Bereich arbeitet – ob der Staatsschuldenausschuss oder die Wirtschaftsforschungsinstitute – kann nur sagen: Werden wir effizienter, um die Anforderungen der Zukunft bewältigen zu können.

Gerade im Gesundheitsbereich wurden die RH-Vorschläge aber schwer kritisiert. Von „Milchmädchenrechnung“ bis „Traumbüchelzahlen“ reichten die Reaktionen. Heißt effizienter sein Personalabbau?

Moser: Es geht um Umschichtung. Wir haben beispielsweise im Pflegebereich akuten Betten- und Personalmangel. Allein im Wiener SMZ Ost gab es innerhalb eines Jahres 11.000 Verweiltage in Akutbetten mit Patienten, die eigentlich im Pflege- oder Geriatriebereich zu behandeln gewesen wären. Nur in diesem Spital ergibt das ein Einsparpotenzial von 3,7 Millionen Euro. Da ist viel drin.

Aber Jungärzte beklagen schlechte Gehälter, teilweise auch Außenstände bei Überstundenzahlungen.

Moser: Wir müssen sicher fragen, ob speziell junge Ärzte leistungsgemäß honoriert werden. Wir müssen aber auch die Nebenbeschäftigungen betrachten. In Unikliniken haben 60 Prozent der Mediziner bis zu fünf Nebenjobs. Speziell in Wien konkurrenzieren die Ärzte ihr eigenes Spital, indem sie zum Beispiel in einem eigenen Institut angestellt sind. Dieses Institut – Beispiel Pathologie – vergibt wiederum Aufträge an die Uni, die aber nicht kostendeckend sind. Oder es werden Einrichtungen der Universität genützt, ohne dass dafür Entschädigung bezahlt wird. Da muss es mehr Transparenz geben. Klare Verhältnisse verlangen wir auch bei den Sondergebühren. Es geht nicht, dass die Entlohnung für einen Spitalspatienten zwischen Arzt und Patient stattfindet – vor allem ein Wiener Problem. Landesärzte müssen hier im Gegensatz zu Bundesärzten einen Beitrag an den Spitalserhalter leisten.

Da wird viel Schindluder getrieben?

Moser: Da gibt es teilweise nicht gerechtfertigte und nicht nachvollziehbare Regelungen zu Lasten der öffentlichen Hand.

Wollen Sie Spitäler schließen?

Moser: Es müssen mehr Schwerpunkte gebildet werden. Das ist auch eine Frage der Qualität. Spitäler müssen deshalb nicht unbedingt geschlossen werden.

Im Schulbereich schlagen Sie das allerdings schon vor.

Moser: Hier geht es darum, nicht in den Standort, sondern in die Qualität des Unterrichts zu investieren. Wir haben rund 100 Klassen in 60 „nieder organisierten“ Volksschulen, wo in einer Klasse mehrere Schulstufen gleichzeitig unterrichtet werden. Braucht jede dieser Volksschulen einen Direktor, oder kann das nicht auch eine Expositur sein? Oder Schulzentren mit mehreren Schultypen: Wäre es nicht zweckmäßig, das unter ein Management zusammenzufassen?

Der Rechnungshof wünscht sich auch mehr Lehrer-Fortbildung. Sparen hilft das wohl nicht.

Moser: Uns geht's um Effizienz- und Qualitätssteigerung. Vielleicht spart das auch Nachhilfestunden für die Eltern. Nur einer der 40 von uns interviewten Schulleiter hat angegeben, dass er Lehrern eine dienstliche Weisung zum Besuch einer Fortbildungsveranstaltung erteilt hat. Ein Problem ist auch, dass die Lehrerbildner-Einrichtungen ausgerechnet in der schulfreien Zeit geschlossen haben.

Wie schätzen Sie die Macht des Rechnungshofs ein?

Moser: Wir haben keine Macht, sondern Kompetenz als Verwaltungs-Insider. Das wird ernst genommen.

Schmerzt es Sie, wenn Sie die Turbulenzen in den Hälften jener Partei betrachten, der Sie angehörten?

Moser: Das haben die Akteure selbst zu verantworten. Ich halte den Rechnungshof aus jeder Parteipolitik heraus.

ZUR PERSON

Josef Moser (51) ist seit drei Jahren Präsident des Rechnungshofes. Er hat es geschickt verstanden, seine parteipolitische Vergangenheit schnell in Vergessenheit geraten zu lassen.

Seine Karriere startete er als Beamter der Finanzlandesdirektion für Kärnten, ab 1991 war er stv. Leiter des Sekretariats des Landeshauptmannes von Kärnten, Jörg Haider. Dieser machte ihn zum Klubdirektor im freiheitlichen Parlamentsklub (von 1992 bis 2003). Der Haider-Vertraute galt immer als besonnen, konnte auch mit den anderen Parlamentsparteien gut.

Nach der Politik war er ab 2003 Vorstandsdirektor der Eisenbahn-Hochleistungsstrecken AG, ab 2004 Vorstand der ÖBB-Holding.

Im Rechnungshof agiert Moser wie schon zuvor: zurückhaltend. Zu politischen Äußerungen lässt er sich nie hinreißen. Am 13. August präsentierte Moser ein umfassendes Papier zur Verwaltungsreform.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2007)

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