Zugriff auf Daten: Jeder könnte neue Norm kippen

Die Regierung arbeitet an der Umsetzung einer EU-Richtlinie: Die vorgesehene Archivierung aller Telefon- und Kontaktdaten ist aber rechtlich heikel.

Wien(aich).Verfassungsgerichtshof-Präsident Karl Korinek rückte das Thema Datenschutz mit seinem umstrittenen Vergleich („ähnlich stark überwacht wie seinerzeit die DDR-Bürger von der Stasi“) in den Mittelpunkt. Dabei steht der große Eingriff in die Datenschutzrechte der heimischen Bürger erst unmittelbar bevor: Österreich arbeitet nämlich momentan an der Umsetzung der EU-Richtlinie zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung.

Diese sieht vor, dass Verbindungsdaten (Telefon, Internet, E-Mail) für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten und höchstens zwei Jahren von Netzanbietern und Providern gespeichert werden müssen. Davon betroffen sind alle Bürger – und nicht etwa nur verdächtige Personen. Zur Aufklärung einer Straftat können Behörden dann unter bestimmten Voraussetzungen auf die konkreten Daten verdächtiger Menschen zugreifen.

Gerald Otto, Rechtsanwalt in Wien und Experte im Bereich Datenschutz, warnt aber nun davor, dass die Umsetzung dieser Bestimmung vom Verfassungsgerichtshof wieder gekippt werden könnte. „Die Richtlinie verstößt meines Erachtens gegen Artikel acht der Europäischen Menschrechtskonvention“, erklärte er gegenüber der „Presse“. Dieser Artikel – er gewährt den Bürgern den Anspruch auf Achtung ihres Privatlebens und ihres Brief- und Fernmeldegeheimnisses – steht in Österreich im Verfassungsrang. Die Umsetzung der EU-Richtlinie soll in Österreich nach den bisherigen Plänen aber nur einfachgesetzlich erfolgen.

Schneller Weg zum Höchstgericht

Und der Weg zum Höchstgericht könnte auch ein einfacher und relativ schneller sein: Otto meint, dass sich jeder Bürger nach Inkrafttreten des Gesetzes (im Wege eines „Individualantrages“) ans Höchstgericht wenden und so versuchen könnte, das Gesetz zu Fall zu bringen. Denn jeder Bürger werde durch die Datenaufzeichnung unmittelbar berührt. Und es wäre für den Gang zum VfGH nicht zumutbar, erst abzuwarten, bis die Behörden tatsächlich auf die Daten zugreifen wollen. Denn dafür müsste man sich ja zuvor einer Straftat verdächtig machen.

Juristisch fraglich ist freilich, wie der VfGH im Falle einer Beschwerde vorgehen müsste, da Österreich ja eine EU-Richtlinie umsetzt. Ein mögliches Szenario: Das heimische Höchstgericht würde den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg um eine sogenannte Vorabentscheidung ersuchen. Erblickt auch der EuGH einen Widerspruch der Vorratsdatenspeicherung zu den Grundrechten – zu deren Achtung auch die Europäische Union verpflichtet ist – dann könnte der VfGH in weiterer Folge das österreichische Gesetz aufheben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2007)

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