Oppositionskritik: „Geht Leuten auf den Geist“

Grünen-Sekretär Lothar Lockl zur Streit-Koalition.

WIEN.„Das ist nicht nur eine Beziehungskiste, das sind de facto zwei Bundesregierungen“. So schildert Lothar Lockl, seit knapp einem Jahr Bundesparteisekretär der Grünen, seinen tristen Eindruck der großen Koalition: „Kein gemeinsames Programm, keine Vision, keine große Aufgabe, keine gemeinsamen Zielsetzungen.“

Die SPÖ sei „noch nicht in dieser Regierung angekommen“ und habe keinerlei Durchsetzungsfähigkeit. Kanzler Alfred Gusenbauer agiere als „externer Staatssekretär“. Die ÖVP wiederum habe es nicht geschafft, die Wahlniederlage zur Kenntnis zu nehmen. Um das alles zu überdecken, flüchteten beide Großparteien in ein Hick-Hack – „ein Schuss ins eigene Knie, wie Lockl im „Presse“-Gespräch konstatiert. „Das geht den Leuten unheimlich auf den Geist und führt zum Ansteigen der Politikverdrossenheit.“ Während die Großparteien in den Umfragen tendenziell sinken, steigen FPÖ und Grüne derzeit leicht.

Die Opposition fühlte sich von der alten Regierung Schüssel stets übergangen und nicht ernst genommen. Ist das jetzt besser? Lockl bejaht zögernd. Das liege aber in erster Linie daran, dass die Grünen mit ihren „Leibthemen“ besser durchkommen, etwa Klimaschutz, Bildung, Kinderbetreuung sowie Integration und Bleiberecht.

Inhaltlich sieht Lockl ein „Match zwischen Schwarz und Grün“, es gebe diametral unterschiedliche Ansichten. Vor allem in der Bildung seien die Schwarzen „Blockierer“, Lockl spricht vom „Politfossil Neugebauer“ (ÖVP-Bildungssprecher und Beamtengewerkschafter). In Sicherheitsfragen achte die ÖVP ängstlich darauf, keine Wähler an BZÖ und FPÖ zu verlieren. Folgerichtig gab es letzte Woche einen Misstrauensantrag der Grünen gegen Günther Platter im Parlament. Auch was Minister Josef Pröll in Sachen Klimaschutz zusammenbringe, sei einfach zu wenig.

Gusenbauer sollte eine dieser Fragen zur Koalitionsfrage erklären und „auf den Putz hauen“, fordert Lockl. Aber die SPÖ verstecke sich beim Bleiberecht scheinheilig hinter dem schwarzen Innenminister: „Das halte ich für unerträglich.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2007)

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