„Feind ist nicht der Islam, sondern der Terror“

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Die Regierung verstärkt um Dialog bemüht – Vizekanzler Molterer beharrt auf seinem Runden Tisch.

Wien (aich/red.). Nach den jüngsten Islamisten-Festnahmen – in zwei Fällen wurde U-Haft wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verhängt – ist die Diskussion um die bessere Integration der in Österreich lebenden Muslime voll entbrannt. Die Folge ist ein Wettstreit in der Koalition: Nachdem Vizekanzler Wilhelm Molterer einen Runden Tisch zur Integration gefordert hatte, sagte Bundeskanzler Alfred Gusenbauer am Sonntag, er habe schon vor längerem Würdenträger der Religionsgemeinschaften für Dienstag zum „Dialog“ geladen.

Ändert das etwas an Molterers Forderung nach einem Runden Tisch? „Ich fordere nicht, ich tue es“, sagte Molterer am Rande des Bauernbund-Erntedankfestes am Wiener Heldenplatz zur „Presse“. Gusenbauers Ankündigung ändere nichts an seinem Vorhaben. Aber jede Initiative sei begrüßenswert.

Gusenbauer warnte in der TV-„Pressestunde“ vor Pauschalverdächtigungen einer Bevölkerungsgruppe: „Das wäre das Falscheste, was wir machen können.“ Und: „Unser Feind ist nicht der Islam oder eine andere Religion, sondern der Terrorismus, die Diktatur, die Verleugnung der Demokratie.“

Gegen terroristische Tendenzen müsse man „mit aller Härte des Gesetzes“ vorgehen. Zum Streit um den Bau von Moscheen meinte Gusenbauer, es sei nicht Aufgabe der Politik festzulegen, wie viele Gebetshäuser es geben soll. Er finde es nicht gut, „wenn man einem Teil der Bevölkerung das Recht auf freie Religionsausübung abspricht“. Ihm seien öffentlich bekannte Moscheen lieber als Gebetshäuser in Hinterhöfen, die viel öfter „Nährboden“ für fundamentalistische Tendenzen seien.

Ein wichtiges Mittel gegen extremistische Tendenzen sei die Ausbildung. Gegen Arbeitslosigkeit und schlechte Ausbildung junger Menschen mit Migrationshintergrund habe man „jahrelang zu wenig unternommen“, beklagte er. Daher habe die Regierung vor dem Sommer verpflichtend festgelegt, dass alle Kinder vor Schulbeginn ausreichend Deutsch können müssen.

Vizekanzler Molterer will, dass an seinem Runden Tisch auch Bürgermeister, Experten und speziell Vertreter der Islamischen Glaubensgemeinschaft über Integration und Werte debattieren. Dazu gehöre die Gleichberechtigung von Mann und Frau, Menschenwürde, die Trennung von Religion und Staat das Bekenntnis zu Österreich und seiner Verfassung.

„Können auch Toleranz fordern“

Beim Erntedankfest betonte Molterer in seiner Rede, eine Wertediskussion führen zu wollen. „Wir dürfen nicht beliebig werden“, erklärte er. Auch ÖVP-Wissenschaftsminister Johannes Hahn äußerte sich zur aktuellen Debatte: Es dürfe keine Einschränkungen der Vielfalt geben, meinte er. Aber: „Wenn wir Toleranz geben, dann können wir auch Toleranz fordern.“ Staatssekretärin Christine Marek, Integrationsbeauftragte in der ÖVP, kündigte am Sonntag an, sie arbeite mit Innenminister Günther Platter an einem Integrationsprogramm. Gelungene Integration sei ein „guter Schutz vor Radikalisierung und Terror“, aber auch „kein Allheilmittel“.

Molterers Ruf nach dem Runden Tisch wurde von Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider aufgegriffen: Er forderte, daran müssten auch Landeshauptleute teilnehmen. Haider will ein Bauverbot von Moscheen, aber auch ein Kopftuchverbot diskutieren. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache kritisierte, es sei skandalös, wie SPÖ und ÖVP über Sorgen der Menschen wegen der „Islamisierung“ drüberfahren. Wenn das so weitergehe, denke die FPÖ an die Abhaltung von Großdemonstrationen.

Gusenbauer hatte in der TV-„Pressestunde“ zu Straches früheren Kontakten zur später verbotenen „Wiking“-Jugend erklärt: Er drehe niemanden wegen seiner Jugend „einen Strick“. Es wäre aber „dringend an der Zeit, hier Klarstellungen vorzunehmen.“

INTEGRATION

Bundeskanzler Gusenbauer lädt am Dienstag Religionsvertreter zu einem Dialog.

Vizekanzler Molterer will einen Runden Tisch zur Integration.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2007)


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