Vorratsdatenspeicherung vertagt

Der erste Österreichische IT-Rechtstag bot eine höchst kontroversielle Diskussion über die geplante umfassende Speicherung von Telekom-Daten.

WIEN. „Wenn man den Heuhaufen vergrößert, vergrößert man damit nicht die Chancen, die Nadel zu finden.“ Für Kurt Einzinger, Geschäftsführer der Internet Service Providers Austria, brächte die geplante Vorratsdatenspeicherung genau so eine Situation: ein Mehr an Daten, aber damit keine erhöhte Wahrscheinlichkeit, Verbrechen zu bekämpfen. Davon ist Einzinger überzeugt.

Die Vorratsdatenspeicherung erfolgt in Umsetzung einer EU-Richtlinie, die vor dem Hintergrund der Terroranschläge in Madrid und London beschlossen wurde. Die Vorgabe muss großteils bis 15. September 2007 umgesetzt werden, nur im Bereich der Kommunikation via Internet bleibt bis 15. März 2009 Zeit. Nachdem es 90 sehr kontroversielle Stellungnahmen zum Entwurf einer Novelle gegeben hat, heißt es jetzt aus dem Büro des zuständigen Ministers Werner Faymann, dass bis Herbst eine neue Novelle erarbeitet werden soll. „Wir wollen nicht die Musterschüler sein, sondern die geringste Variante umsetzen“, erklärt der zuständige Referent im Ministerium.

Unter „Vorratsdatenspeicherung“ versteht man die Aufzeichnung aller per Telefon, SMS oder E-Mail zustande gekommenen Kommunikationsverbindungen für sechs Monate. Auf Vorrat registriert wird lediglich, wer wie lange mit wem kommuniziert hat, aber kein Inhalt. Damit soll es möglich werden, auch nachträglich die Kontakte einer Person oder eines Unternehmens zu analysieren und offen zu legen.

Dem Datenschutzrat geht das zu weit, wie Waltraut Kotschy beim ersten Österreichischen IT-Rechtstag betonte, den der Forschungsverein „Infolaw“ vorige Woche in Wien veranstaltet hat. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip sei keineswegs gewahrt, wenn man aus einer Auskunftspflicht eine Pflicht zur Speicherung von Daten ableite. Derzeit sei die Speicherung dieser Verkehrsdaten nur dann legitim, soweit sie entweder für die Herstellung einer Verbindung oder für Zwecke der Verrechnung notwendig sei.

Der auf IT-Recht spezialisierte Anwalt Reinhard Schanda hingegen versteht die Aufregung nicht ganz. Es gebe kein Grundrecht auf Anonymität. Wer in Tauschbörsen kommuniziere, mache schon allein dadurch seine Daten öffentlich. Und Datenschutz dürfe nicht der Verschleierung von Kriminalität dienen.

Darin war Schanda sich mit Franz Medwenitsch, dem Geschäftsführer des Verbands der österreichischen Musikwirtschaft, einig, der das Urheberrecht in Opposition zum Datenschutz sieht. Wenn es so weit komme, dass die Leute sich auf den Datenschutz stützten mit der Begründung, sie wollen in aller Ruhe das Urheberrecht verletzen, „dann kann man gleich aufhören, einen legalen Online-Musikmarkt aufzubauen“.

Im Publikum waren Zuhörer empört, dass man unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung vielfach nur Jugendliche, die rechtswidrig Musik downloaden, mit dieser Novelle erwischen werde, dafür aber der Datenschutz aller Kommunizierenden verletzt werde. Und wer wirklich etwas zu verbergen habe, der werde sich beispielsweise mit Hilfe eines Internet-Providers außerhalb der EU der Aufzeichnung seiner Daten entziehen. Schmidbauer schwant Böses, wenn hunderte private Provider sensible Daten speichern: „Dass diese Daten missbraucht werden, darauf können sie Gift nehmen“, sagt Schmidbauer. „Nur gelöschte Daten sind gute Daten.“

WAS KOMMT

Eine EU-Richtlinie zwingt Österreich, Verkehrs- und Standortdaten der Kommunikation in öffentlich zugänglichen Netzen für mindestens sechs Monate auf Vorrat zu speichern. Nicht erfasst sind Inhalte der Kommunikation.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2007)

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