Eurofighter: Bekannte und übersehene Ausstiegsrisken

Illustration: Vinzenz Schüller
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Gutachten. Was die Experten des U-Ausschusses nicht sagten.

WIEN. Im Gutachten für den U-Ausschuss vom 2. Juli beurteilen Josef Aicher, Andreas Kletecka und Heinz Mayer einen Rücktritt wegen Verletzung der „Verhaltensregeln“ zurückhaltend und sprechen vom „erheblichen Prozessrisiko“. Zusammenfassend sei „festzuhalten, dass die Gutachter zwar gute Gründe für einen berechtigten Rücktritt vom Eurofighter-KV (Kaufvertrag, Anm.) sehen. Würde die Republik den Rücktritt erklären, ist ein langwieriger gerichtlicher Rechtsstreit absehbar, in welchem die Republik auch ein nicht zu vernachlässigendes Prozessrisiko zu tragen hätte.“ Eine solche Einschätzung – die weitgehend meiner entspricht – führt üblicherweise zu Vergleichsverhandlungen; die Gutachter zeigen insofern auch keinen anderen Weg auf.

Tags darauf alles anders

Am nächsten Tag aber erweckten sie bei der mündlichen Präsentation den Eindruck, das Prozessrisiko der Republik sei gering, ein Vertragsausstieg zu empfehlen; überdies betonten sie, mein Gutachten decke sich sicher nicht mit ihrer Expertise. Begründet wurde die geänderte Risikobewertung laut Zeitungsberichten mit neuen Informationen über Zuwendungen von EADS an den Lobbyisten Steininger in Höhe von zumindest € 1,3 Mio – allerdings hatte Obmann Pilz schon am 20. April im Ausschuss Aicher über Zuwendungen dieser Höhe informiert.

Auffallend ist, dass das Gutachten keine Beurteilung des Sachverhalts enthält: „Ob die dem Ausschuss vorliegenden Akten und Aussagen von Auskunftspersonen einen beweisbaren Sachverhalt ergeben, der unter die Tatbestände der Verhaltensregeln (...) subsumiert werden kann, kann von den Gutachtern zum einen deshalb nicht beantwortet werden, weil sie (...) in die Akten des U-Ausschusses nicht Einsicht genommen haben. Zum anderen enthalten manche Fragen Sachverhaltsannahmen, die aus vorliegenden Dokumenten abgeleitet werden können, denen jedoch, vor allem im Hinblick auf die tatsächliche Stellung des Lobbyisten Erhard Steininger, gegenteilige Aussagen von Auskunftspersonen entgegenstehen“. Die drei Professoren weisen ausdrücklich auf das Prozessrisiko hin und betonen, dass dieses „durch die gegenständliche Stellungnahme nicht verringert werden“ könne. Überdies wird eingeräumt, dass ein Gericht im Streitfall zu einem anderen Auslegungsergebnis gelangen könne und die gravierenden Rechtsfolgen der Verhaltensregeln ein Gericht veranlassen könnten, „die Tatbestandsvoraussetzungen – entgegen der hier vertretenen Ansicht – enger zu sehen und damit Möglichkeiten der Entlastung (von Eurofighter) anzuerkennen“. Ohne Beurteilung des Sachverhaltes sowie der Beweislage und angesichts der rechtlichen Probleme ist allerdings eine Einschätzung des Risikos kaum möglich; warum dies bei einer medienwirksamen Präsentation anders sein sollte, ist mir nicht ersichtlich.

Ein Grund für die Neubewertung könnte darin liegen, dass Mayer mündlich erklärte, das Prozessrisiko der Republik beschränke sich auf die gegnerischen Anwaltskosten. Das ist insofern richtig, als die Finanzprokuratur die Republik vertritt. Auch dies verursacht allerdings Kosten; überdies hat Österreich bei Prozessverlust Eurofighter die Gerichtsgebühren zu ersetzen und trägt somit endgültig die tatsächlichen Kosten des Verfahrens. Noch gravierender ist, dass der Hinweis bloß auf die Anwaltskosten einen völlig unzutreffenden Eindruck erweckt: Es wäre auf die schwerwiegenden vertragsrechtlichen Folgen hinzuweisen gewesen, die bei einer seriösen Einschätzung der Prozessrisken zu berücksichtigen sind. Nach Rücktrittserklärung wird auch die Erfüllung der vertraglichen Pflichten verweigert; daher wäre – wenn die Gerichte das Vorliegen eines Rücktrittsgrundes verneinen und das Prozessrisiko schlagend wird – die Republik den Folgen eines jahrelangen Schuldnerverzuges ausgesetzt. Das betrifft im vorliegenden Fall nicht nur den Verzug mit der Gegenleistung, sondern es kann dem gesamten Vertrag entnommen werden, dass die Republik eine Pflicht zur Abnahme der Flugzeuge trifft; ferner sind die gesetzlichen Folgen eines Annahmeverzuges zu beachten. Die Republik hätte daher nicht bloß das Risiko eines zufälligen Untergangs oder einer Beschädigung der Flugzeuge zu tragen, sondern auch die erheblichen Kosten für die Verwahrung und Wartung, ferner die negativen Folgen einer Herabsetzung der Sorgfaltspflichten der Verkäuferin bei der Verwahrung. Nicht zu vergessen ist überdies, dass die schon getätigten beträchtlichen Aufwendungen für die Inbetriebnahme der Eurofighter nicht genutzt werden könnten, die Lösung der Frage der Luftraumüberwachung möglicherweise jahrelang in Schwebe wäre und teure Zwischenlösungen zu suchen wären.

Voller Preis, keine Gegenleistung

Daneben hätte ein weiteres Risiko gedroht: Die mit dem Rücktritt verbundene ernsthafte Weigerung der Republik, ihre Verpflichtungen zu erfüllen, hätte gemäß § 1168 ABGB – der wegen der werkvertraglichen Elemente wohl anwendbar wäre – dazu geführt, dass Eurofighter einerseits die Flugzeuge nicht mehr zu liefern gehabt hätte, andererseits von der Republik das gesamte Entgelt – bloß abzüglich der Ersparnisse und etwaiger ungewisser Verkaufserlöse – hätte verlangen können.

Sind all diese Risken wirklich so gering einzustufen, dass der Ausstieg empfohlen werden kann?

DIE GUTACHTEN

Helmut Koziol, Univ.-Prof. i. R., prüfte für Verteidigungsminister Darabos die Chancen zum Ausstieg aus dem Eurofighter-Kauf und warnte: kein Ausstieg zum Nulltarif.

Aicher/Kletecka/Mayer sahen im Auftrag des U-Ausschusses bessere Ausstiegschancen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2007)

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