Wortspielereien

Hermiones großer Sohn.

Wie ich zu meiner Bestürzung erfahren habe, ist das, was ich hier für Sprachgeblödel gehalten habe - das Erstellen von Sätzen, in denen ein Buchstabe gar nicht vorkommt, eine ernstzunehmende Disziplin, und das Ergebnis heißt unter Fachleuten (Wikipedia sei Dank!) Leipogramm.

Der berühmte Chorlyriker Lasos aus Hermione - kennen Sie sicher, zumindest Hermione ist Ihnen doch wohl ein Begriff - hat schon im 6. Jahrhundert vor Christus Gedichte ohne Sigma geschrieben, das als hässlicher Laut galt. Und auch später gab es immer wieder literarische Sonderlinge, die sich der Disziplin des Buchstabenweglassens unterworfen haben, unter ihnen etwa die Titanin des unfreiwilligen lyrischen Humors, Friederike Kempner, die "Gedichte ohne r" veröffentlicht hat.

Das r ist offenbar ein problematischer Laut im deutschen, die meisten Leipogramme lassen es weg. So auch das von mir in der Vorwoche angedeutete Kinderlied "Hänschen klein", bei dem es erst in der letzten Zeile der ersten Strophe heißt: ist gar wohlgemut, wobei die Kleinkinder, die Probleme mit dem r  haben, auch gah singen können, ohne dass es auffällt. Johanna Sibera aus Klosterneuburg hat sich (weil Zwetschkenzeit ist, wie sie schreibt), kleine Freiheiten genommen und uns in diesem Sinn auch ein anderes Kinderlied vorgeschlagen:
Schlaf, Kindlein schlaf!
dein Papa hüt' die Schaf;
die Mama schüttelt's Bäumelein,
da fällt hinab ein Pfläumelein...

michael.prueller@diepresse.com

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