Telefon, Internet: Gläserne Kunden? Terror-Eldorado?

Datenspeicherung. Überwachung trifft nur Bürger, nicht Kriminelle, so Experten.

Wien.Um das Land vor Terroristen zu schützen, will der Staat Telefon- und Internet-Provider dazu verpflichten, alle Verbindungsdaten – also wer wann mit wem von wo aus wie lange kommuniziert hat – sechs Monate und auf Verdacht („Vorratsdaten“) zu speichern. Diese von der EU geforderte Maßnahme trifft nicht nur auf Kritik von Grundrechtsschützern, sondern sorgt auch für Spott und Hohn bei IT-Experten: Für technisch versierte Kriminelle sei es nämlich ein Kinderspiel, der Daten-Falle zu entkommen. Letztendlich verstricke sich nur der ahnungslose Bürger im Netz der Datensammler und Behörden.

„Terror-Anschläge wird man damit nicht verhindern“, sagt Adrian Dabrowski von der Datenschutz-Organisation „Quintessenz“. Im „Presse“-Gespräch erklärt der Computer-Experte, wie leicht man mit ein wenig Einfallsreichtum den Ermittlern entkommt.

  • Internet-Surfen: Jeder zweite Wireless-LAN-Zugang ist unverschlüsselt. Das bedeutet: Wer es darauf anlegt, muss nur mit einem Laptop durch die Stadt spazieren und sich bei einem nicht geschützten Zugangspunkt – das kann das Netz einer technisch unbedarften Privatperson sein – ins Internet einloggen. Kriminelle Aktivitäten laufen damit über das Internet-Konto unschuldiger Bürger, die so zu Unrecht ins Visier der Ermittler geraten.
  • E-Mail: Im (nicht EU) Ausland existieren zahllose E-Mail-Anbieter (www.fepg.net/eeurope.html), die ihre Verbindungsdaten nicht speichern müssen. Dabrowski: „Wer dann noch diese E-Mails über öffentlich zugängliche Terminals abruft, hat gute Chance, nicht erkannt zu werden.“
  • Telefonie: Anstatt Vertragshandys benutzen Kriminelle schon heute Wertkarten-Telefone – zum Teil auch von ausländischen Providern. Ebenfalls beliebt: Anonyme Registrierungen bei Anbietern von Internet-Telefonie (www.voipproviderslist.com).

Sogar Justizministerin Maria Berger gibt in der Antwort auf eine Anfrage des liberalen Nationalratsabgeordneten Alexander Zach zu, dass die Datenspeicherung Anschläge nicht verhindern kann, sieht sie aber als „geeignetes Werkzeug für Aufklärungserfolge“ im Nachhinein.

Zach, der auf einem SP-Ticket im Nationalrat sitzt, kündigt deshalb an, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anzurufen. „Das Missbrauchspotenzial solcher Datensätze ist gigantisch. Ich fordere die Regierung deshalb auf, die EU-Richtlinie nicht umzusetzen und es auf ein Verfahren mit Brüssel ankommen zu lassen.“

Minimal-Variante für Brüssel

Hinter den Kulissen ist zu erfahren, dass selbst das für den Gesetzesentwurf zuständige Verkehrsministerium „nicht ganz glücklich“ mit der EU-Forderung ist, tatsächlich nur eine Minimalvariante umsetzt, um nicht von der Kommission wegen Untätigkeit verklagt zu werden.

Kritisch sehen die Vorratsdatenspeicherung auch die heimischen Service-Provider. Klaus Steinmaurer, Leiter der Rechtsabteilung bei T-Mobile: „Bereits jetzt gibt es die Mittel, um Kriminellen auf die Spur zu kommen. Es ist mehr als fraglich, ob noch mehr Überwachung auch mehr Sicherheit bringt.“ Rechtspanorama Seite 11

LEXIKON

Bei Vorratsdaten-Speicherung wird erfasst, wer mit wem, wann, von wo aus wie lange telefoniert hat. Der Inhalt des Gesprächs wird (noch) nicht aufgezeichnet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2007)

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