Ars Electronica 2007: Lebe wohl, Privatsphäre

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Im Zentrum des Linzer Ars Electronica Festivals steht heuer das Spannungsfeld zwischen Privatheit und Öffentlichkeit.

Die künstlerischen Leiter des diesjährigen Ars Electronica Festivals, Christine Schöpf und Gerfried Stocker, konnten sich im Vorfeld der Veranstaltung eine Spur Eigenlob nicht verkneifen. "Mit Fug und Recht" könne man behaupten, dass man es mit dem Motto "Goodbye Privacy" zeitlich noch nie so gut getroffen habe, sagte Schöpf.

Und angesichts aktueller Entwicklungen - von Vorratsdatenspeicherung einerseits bis zum Boom exhibitionistischer Selbstdarstellung im Internet andererseits - kann man dem nur beipflichten.

War es in der Vergangenheit vor allem die Vision orwellscher Überwachungsstaaten, die die künstlerische und wissenschaftliche Kritik befeuert hat, sehen sie sich nun einem völlig neuen Phänomen gegenüber: Der freiwilligen Veröffentlichung privater Lebensbereiche. Nicht nur der Staat dringt immer weiter in die Intimsphäre seiner Bürger ein, sondern der "User" selbst kommt ihm dabei bereitwillig entgegen.

4400 Luftaufnahmen von Linz

So ambivalent, wie der Themenbereich selbst, ist auch das Festivalprogramm, das zwischen philosophischem Diskurs und ironischer Performance pendelt.

Zum Auftakt etwa debattierte die Richter-Konferenz unter dem Titel "Grundrechte in der digitalen Welt" über die juristischen Konsequenzen der Content Flut, die Weblogs und Plattformen wie Flickr, MySpace und YouTube im Netz verursachen.

Im "Privacy"-Symposion widmen sich in den folgenden Tagen Wissenschaftler, Künstler und Aktivisten der Frage nach den Ängsten und Möglichkeiten, die ein Ende der Privatheit begleiten könnten.

Vergleichsweise "luftig" nimmt sich dagegen das vielfältige künstlerische Rahmenprogramm aus. Unter dem Motto "Ganz Linz" soll am 8. September das gesamte Stadtgebiet via Flugzeug aus 1100 Metern Höhe à la Google Earth abfotografiert werden.

Bewohner und Besucher sind aufgefordert, an diesem Tag von oben sichtbare Botschaften zu dem aus 4400 Einzelfotos bestehenden Gesamtbild beizusteuern. Flugroute und genaue Überflugszeiten finden sich selbstverständlich auf der Ars Electronica-Webseite.

Second Life in Linz

Nicht die Welt ins Netz, sondern das Virtuelle in die Realität zu holen, hat sich das Großprojekt "Second City" zum Ziel gesetzt. Dabei sollen der Linzer Pfarrplatz und die Marienstraße für eine Woche zu einer realen Ausgabe des Computerspiels "Second Life" umgestaltet werden.

Ummantelt wird das Projekt von einer Vielzahl kleinerer Kunst-Projekte. Die Agentur Übermensch etwa erstellt unter dem Motto "Become your Avatar" persönliche Trainingspläne - inklusive Schönheitsoperation -, die bei der Überbrückung der Kluft zwischen realem Körper und synthetischem Schönheitsideal behilflich sein sollen. Andere Künstler werden gleich selbst zum Avatar und lassen sich vom Publikum fernsteuern, überwachen Stadteile mit Überwachungsdrohnen oder "bemalen" Hochhäuser mit Laser-Projektionen.

Performance am Parkdeck

Fast schon konservativ mutet dagegen das Programm des slowenischen Medien- und Performancekünstler Marko Peljhan an, der im Lentos Museum "sensorische" Installationen ausstellen und auf dem Dach des City-Parkhauses eine dreistündige Performance präsentieren wird.

Abgerundet wird das Festival, das noch bis 11. September läuft, von der Verleihung des Prix Ars Electronica und dem Animationsfilm-Festival, das heuer in seine dritte Runde geht und erstmals auch in Wien und Kiew stattfindet.

Eckdaten

Ars Electronica Festival
5. - 11. September, Linz
http://www.aec.at/de/festival2007/

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