Genom-Analyse: Der dritte Primat

Genom-Analyse. Nach der DNA von Mensch und Schimpanse ist nun auch die des Rhesusaffen gelesen.

This monkey's gone to heaven“, sangen 1989 die Pixies. Das galt vielleicht dem Totenkopfaffen Gordo, der 1958 als erster Primat in den Weltraum geschickt wurde, allerdings bei der Landung ertrank. Vielleicht aber auch den Rhesusaffen Able und Sam, die 1959 ins All flogen – und den Ausflug überlebten. Der erste Schimpanse, „Ham the Astrochimp“, folgte am 31.Jänner 1961, der erste Mensch, Juri Gagarin, am 12.April desselben Jahres.

Bei der Genom-Analyse war's umgekehrt: Das Erbmaterial des Menschen war 2003 so weit wie möglich sequenziert, vom Schimpansen-Genom war die Rohversion 2005 fertig. Nun erst folgt als dritter Primat der Rhesusaffe, Macaca mulatta: Das „Rhesus Macaque Sequence and Analysis Consortium“ berichtet in Science (316, S.222) über seine Ergebnisse – und „evolutionäre und biomedizinische Erkenntnisse“ aus dem Genom der Rhesusaffen.

Diese, den Hinduisten heilig, haben uns nicht nur im Weltraum gedient, sondern auch in der Medizin: 1940 wurde an ihnen der Rhesusfaktor entdeckt, heute erforscht man z.B., wie sie auf „ihren“ Immunschwäche-Virus (SIV) reagieren, der unserem (HIV) verwandt ist. Darum warnt auch der Science-Leitartikel: Es wäre „extrem unweise“, auf den Einsatz von Primaten in der Forschung zu verzichten.

Getrennte Wege seit 25 Mio. Jahren

Vom Menschen einmal abgesehen, ist der Rhesusaffe der Primat mit dem größten Verbreitungsgebiet, von Westindien bis zum östlichen China. Auf Englisch ist er kein „ape“, sondern ein „monkey“. Unter „apes“ fallen nur die schwanzlosen „Menschenartigen“: Gibbon, Orang-Utan, Gorilla, Schimpanse. Der letzte gemeinsame Vorfahre von Menschenartigen – also auch Menschen – und Altweltaffen (zu denen die Rhesusaffen zählen) lebte vor ungefähr 25 Millionen Jahren. Zum Vergleich: Der letzte gemeinsame Ahn von Schimpanse und Mensch lebte vor ca. sieben Millionen Jahren, der letzte gemeinsame Ahn von Mensch und Spitzhörnchen vor ca. 80 Millionen Jahren.

Genetisch seien Menschen und Rhesusaffen zu 93 Prozent gleich, sagen die Forscher – die Angabe ist wohl genauso skeptisch zu sehen wie die beliebte Behauptung, dass Schimpansen und Menschen einander zu über 98 Prozent gleichen. Grundlage solcher Vergleiche sind DNA-Abschnitte, von denen man schon weiß, dass sie einander entsprechen. Unterschiedlich ist schon einmal die Zahl der Chromosomen: Rhesusaffen haben 21, Menschen haben 23, Schimpansen 24.

Was ist typisch menschlich?

Spannend ist der Dreiervergleich von Genen auch deshalb, weil man bisher nicht sagen konnte, ob ein festgestellter Unterschied zwischen Mensch und Schimpanse eine Besonderheit des Menschen bedeutet – oder „nur“ eine des Schimpansen. Und manchmal sind Gen-Varianten, die für uns fatal sind, beim Rhesusaffen offenbar normal: z.B. solche, die bei uns die Krankheit Phenylketonurie hervorrufen.

Große Unterschiede finden sich auch in der Anzahl von Kopien, in denen Gene vorliegen. So liegt das Gen „Prame“, das bei der Spermatogenese wichtig sein dürfte, aber auch in Hautkrebs-Zellen eine – fatale – Rolle spielt, bei Menschen auf dem Chromosom Nr.1 in mindestens 26 Kopien. Beim Rhesusaffen nur in acht Kopien. Dafür hat dieser dreimal so viele MHC-Gene (des Immunsystems). Wozu? Gegen welche Pathogene? Das muss man erst studieren.

50 Prozent „repetitive DNA“

Interessant sind nicht nur die Gene. Sondern auch die DNA-Abschnitte, die gar keine Erbinformation tragen, sondern eintönigen, repetitiven Charakter haben, aber in vielen Fällen „egoistisch“ sich selbst kopieren und/oder durch das Genom hüpfen: Auch das des Rhesusaffen besteht zur Hälfte aus solchen Elementen – die zwar zerstörerisch sind, aber damit die Evolution vorantreiben.

Und die, klagt der Biologe Ajit Varki, „ist auf der genomischen Ebene extrem chaotisch. Sie bedient sich aller vorstellbarer Mechanismen, mit vielen Sackgassen und falschen Fährten (red herrings).“ Sein Kollege Adam Siepel sagt es freundlicher: „Wir werden in den nächsten fünf Jahren viel lernen.“

Inline Flex[Faktbox] DAS RHESUSAFFEN-PROJEKT("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2007)

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