Biotechnologie: Samenzellen aus Knochenmark?

Ein erster Schritt zur künstlichen Erzeugung von Samenzellen bei Menschen ist getan.

Britische Feuilletonistinnen hören schon die „Totenglocke für die Vaterschaft“ läuten. Dabei will der Stammzellbiologe Karim Nayernia, derzeit an der Uni in Newcastle-upon-Tyne, laut eigener Aussage ganz im Gegenteil nur Männern zu Nachkommen verhelfen, die, etwa aufgrund von Krebserkrankungen, keine Spermien mehr produzieren können (und auch keine Spermien in einer Samenbank gelagert haben).

Nayernias Ausgangsmaterial ist Knochenmark, aus dem sein Team – noch an der Universität in Göttingen – mesenchymale Stammzellen isolierte: „multipotente“ Stammzellen, die sich noch in einige Zelltypen differenzieren können, z.B. Knochen-, Muskel- oder Fettzellen. Die Weichen werden sowohl in vivo als auch in vitro durch Einwirkung verschiedener chemischer Substanzen gestellt.

Zuerst Ur-Keimzellen

Offenbar lassen sich diese Stammzellen auch in Richtung Samenzellen dirigieren: Nayernia behandelte sie dazu mit einer dem Vitamin A ähnlichen Substanz. So entstanden „Ur-Geschlechtszellen“ (primordiale Keimzellen, PGC): Zellen, aus denen Ei- oder Samenzellen werden können, die aber im Gegensatz zu diesen diploid sind, (noch) einen doppelten Chromosomensatz haben.

Ein kleiner Teil (drei Prozent) dieser Ur-Keimzellen entwickelte sich noch einen Schritt weiter, zu Spermatogonien. Auch die sind noch diploid, es bedürfte noch mehrerer Schritte in der Spermatogenese, um daraus reife Spermatozoen zu machen. Trotzdem ist die Aufregung ob der Vorab-Publikation (die Arbeit wird in Biology of Reproduction erscheinen) groß. Auch weil Nayernia bei Mäusen schon ein Schritt weiter – zu haploiden Spermatozyten – gelungen ist. In drei bis fünf Jahren, glaubt er, wird er die gesamte Spermatogenese im Labor schaffen.

Könnte eine solche Methode wirklich Männer überflüssig machen? Zumindest theoretisch könnte sie Spermien auch aus Knochenmark von Frauen produzieren. Allerdings könnten daraus nur Töchter werden, da diese Spermien naturgemäß kein Y-Chromosom enthalten.

Von ethischen Bedenken abgesehen, wäre auch mit praktischen Problemen zu rechnen: Das „Imprinting“ (die „Prägung“) von Genen ist ein sensibler, noch nicht gänzlich verstandener Prozess, der wohl auch von den genauen Bedingungen der Spermatogenese abhängt. tk

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2007)

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