Anthropologie: Australien nur einmal erwandert?

Gen-Analysen deuten auf Besiedlung vor 50.000 Jahren.

Ist der moderne Mensch – Homo sapiens – vor etwa 70.000 Jahren von Afrika aufgebrochen und hat die ganze Welt erwandert und alle Erben der viel früheren Wanderwelle von Homo erectus ausgerottet („out of africa II“)? Oder hat sich H.sapiens in verschiedenen Regionen der Erde parallel aus H. erectus entwickelt („Multiregionalismus“)? Oder ging beides zusammen, hat sich der spätere Wanderer mit früheren vermischt?

Das wird vor allem am Beispiel Australiens debattiert, denn dort finden sich in den fossilen Befunden zwei ganz verschiedene Typen. Der erste kam früh, vor etwa 50.000 Jahren (nach Europa kam Homo sapiens erst viel später, vor 35.000 Jahren). Von der Entfernung her ist es möglich, die frühen Menschen zogen von Ostafrika die asiatischen Küsten entlang, dann allerdings mussten sie per Schiff auf Neuguinea/Australien übersetzen, die damals noch ein Kontinent waren, erst später wurde die Landbrücke vom Meer überspült.

Aber mit den Funden geht es schwer zusammen, denn zum einen waren ausgerechnet die ältesten Menschen in Australien die grazilsten, erst später, vor 20.000 Jahren, vergröberte sich der Körperbau. Zum anderen ist auch die Technik, die diese Einwanderer benutzten, viel gröber als die, die sie beim Abwandern aus Afrika benutzten. Beides verbuchen „Multiregionalisten“ für sich: Es muss eine frühere Einwanderung von H. erectus gegeben haben (von der man keine Spuren kennt), dann haben sich auf dem isolierten Kontinent mehrere Menschen entwickelt, einer davon gehört zu H.sapiens.

Dagegen sprechen die Gene: Eine Gruppe um Colin Renfrew (Stanford) hat die von heutigen Bewohnern Neuguineas und Australiens analysiert: Sie stammen von einer einzigen Einwanderung vor 50.000 Jahren (Pnas, 7.5.). Sprechen die Gene wahr? Sie passen nicht damit zusammen, dass eine zweite Spur auf viel größere Einwanderungs-Vielfalt deutet, die der Sprache: In manchen Regionen Australiens herrscht große Vielfalt, die Forscher verweisen selbst auf die Diskrepanz.

Und die Vergröberung der Menschen und der Werkzeuge, warum sollte sie vor sich gegangen sein? Bei den Werkzeugen gibt es Erklärungsversuche: Bei der Wanderung entlang der asiatischen Küste habe man die Geräte, die für Afrikas Savannen gut waren, aufgegeben, weil man sie nicht brauchte. Nachsehen kann niemand, die damaligen Küsten sind heute tief im Meer. jl

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2007)

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