Krebstherapie: „Falsche Hoffnungen“

(c) DiePresse (Michaela Bruckberger)
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Aufregung an der Medizin-Uni Wien: Der Rektor distanziert sich von zwei Professoren, die für eine zu bezahlende Therapie warben.

Es erscheint in höchstem Maße unzulässig, dass bei den PatientInnen völlig falsche Hoffnungen ausgelöst werden, wofür zwei Professoren unserer Universität (...) leider Anlass geben.“ So heftig distanzierte Wolfgang Schütz, Rektor der Medizinischen Universität Wien, sich öffentlich von zwei hochrangigen Kollegen an der Frauenklinik seiner Uni: Johannes Huber (Leiter der Klinischen Abteilung für Endokrinologie) und Sepp Leodolter (Leiter der Klinischen Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe).

Anlass war die Cover-Story der Zeitschrift „News“ von 14.Juni: „Neue Waffe gegen Krebs“, schrie die Schlagzeile, „die Medizin-Sensation“, brüllte der Untertitel: „Wie zwei Wiener Top-Ärzte Krebs mit Zelltherapie besiegen wollen.“

Die „Top-Ärzte“, das sind Huber und Leodolter; Zelltherapie ist ein Therapieansatz, der u.a. von der Kremser Firma „Cell Med“ (vormals „Cell Danube“) – zu deren wissenschaftlichem Beirat Huber und Leodolter gehören – klinisch getestet wird: eine Art Impfung gegen Krebs (siehe Kasten), die in zwei Fällen (von 23) tatsächlich erfolgreich war. Über diese Fälle wurde in „News“ sehr persönlich berichtet, unter Einsatz von Wörtern wie „Wunderwaffe“.

„,News‘-Artikel ist verunglückt“

„Der Erfolg der Therapie ist trotz massiven Einsatzes von Ressourcen (...) bisher eher bescheiden geblieben“, schreibt dagegen Med-Uni-Rektor Schütz: „Wirksamkeitsnachweise fehlen bisher“, man könne „noch lange nicht von Heilungen sprechen“.

„Der ,News‘-Artikel ist verunglückt“, meint Huber zur „Presse“: Er habe allerdings beim Pressegespräch, auf dem allein der Artikel beruhe, betont, dass man sich keine falschen Hoffnungen machen solle. Andere Medien hätten das sehr wohl gebracht. „Aber ich habe unterschätzt, dass sich Patienten an solche Hoffnungen klammern.“ Eine Kernaussage sei ihm wichtig: „Die deutschen Krankenkassen übernehmen diese Form der Zelltherapie; in Österreich geht das nicht, auch wenn der Onkologe meint, dass die Therapie sinnvoll sei.“

Bei „Cell Med“ müssen die Patienten für die Therapie bezahlen: laut Schütz-Brief 14.000 Euro. „Die Summe, die da genannt wird, ist völlig aus der Luft gegriffen“, sagt Huber: „Vielleicht wird da die Apherese (Verfahren zur gezielten Entfernung von Blut-Bestandteilen, Anm.) mitgerechnet, die zugekauft werden muss. Aber wir haben jetzt auch ein Verfahren vorgestellt, das ohne Apherese auskommt.“ Er habe die Methode zum Selbstkostenpreis von 3900Euro angeboten, selbst daran nichts verdient. Das bestätigt „Cell-Med“-Geschäftsführer Wolfgang Huber (mit Johannes Huber nicht verwandt): „Der Vorwurf der Geschäftemacherei ist vehement zurückzuweisen. Vielmehr haben diese Ärzte es als ihre ethische Pflicht gesehen, die Zelltherapie den Patienten zugänglich zumachen.“ Peter Husslein, Vorstand der Frauenklinik, sieht die „ethische Pflicht“ anders: „Wenn Sie mich fragen, ob es in Ordnung ist, dass man für eine nicht etablierte Therapie Geld nimmt, sage ich klar ,Nein‘.“

Kreuzfahrt mit Gen-Beratung

Für Kopfschütteln unter Medizinern sorgt auch eine zweite mediale Aktivität Hubers: In der „Kronen Zeitung“ vom 9.Mai wurde im „Reise“-Teil – nicht als Anzeige gekennzeichnet – unter dem Titel „Kurs auf Verjüngung“ eine „Anti-Aging-Kreuzfahrt“ beworben. Avisiert werden „Exklusivvorträge von DDr.Johannes Huber und Dr.Robert Buchacher“ und – auf der Homepage des ÖAMTC, der die Reise anbietet – ein „Beratungsgespräch auf Basis der Erbgut-Analyse mit Dr.Huber oder einem anderen Fachexperten“.

Buchacher ist Wissenschaftsredakteur des „profil“, er hat gemeinsam mit Huber ein Buch über „Das Ende des Alterns“ geschrieben und einen „dreimonatigen Anti-Aging-Selbstversuch“ unternommen, bei dem ihm der von „profil“ als „Hormonguru“ bezeichnete Huber als „Coach“ diente. Dieser steht dazu: „Wenn Sie Gewicht reduzieren und Exercise machen, dann können Sie wahrscheinlich 50 Prozent von dem, was wir im AKH verbraten, einsparen. Diese Botschaft plakativ zu vermitteln – und Medien sind nun einmal plakativ –, das ist für mich wirklich eine Mission.“

Wie auch die Kreuzfahrt? Nicht mehr. „Ich hab' da abgesagt – weil ich mich nicht instrumentalisieren lasse“, erklärt Huber. „Letztes Jahr bin ich zwei Tage mitgefahren, weil mich der Dr.Buchacher gebeten hat. Ich habe dafür nichts bezahlt bekommen, null, das ist überprüfbar.“ Huber resümiert: „Keiner ist so alt, dass er nicht mehr lernen kann. Ich bin da jetzt weiser geworden.“

Dem Weisenrat der Med-Uni Wien, der für solche Fälle eingerichtet wurde, gehört Huber (derzeit) nicht an. Dieser soll sich, so Rektor Schütz, mit der Angelegenheit befassen. Sollte auch die österreichische Bioethikkommission das tun, wäre ihr Vorsitzender wohl befangen: Es ist Johannes Huber.

LEXIKON: Zelltherapie

Dem Blut des Patienten werden Vorläuferzellen bestimmter Immunzellen (dendritische Zellen) entnommen. Diese lässt man außerhalb des Körpers reifen, macht sie mit Tumor-Antigenen (Moleküle, an denen das Immunsystem einen Tumor erkennt) „scharf“ gegen Krebszellen. Dann werden sie dem Patienten wieder injiziert.

Allgemein kann man unter „Zelltherapie“ auch Verfahren verstehen, bei denen Stammzellen verwendet werden, bis hin zur Transplantation von Knochenmark.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2007)

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