Erdgeschichte: Gewürgt von Hitze und dünner Luft

(c) EPA (Richard Bouhet)
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Im größten Massensterben, am Ende des Perm, kam viel zusammen.

Am Ende des Perm, vor 251 Millionen Jahren, erlebte das irdische Leben den schlimmsten aller Schläge: 96 Prozent aller Arten verschwanden. Manche vermuten einen Asteroideneinschlag dahinter, einen „giant impact“, aber dafür spricht wenig. Andere setzen auf die „sibirischen traps“, sie stehen für den größten Vulkanausbruch der Erdgeschichte: Er überzog eine Fläche so groß wie die EU (vor der Osterweiterung) mit bis zu drei Kilometer dicken Basaltschichten. Und er brachte Treibhausgase in die Luft, erst CO2aus den Vulkanen, dann Methan von den Meeresböden, am Ende des Perm stiegen die Temperaturen in kurzer Frist um sechs Grad.

Starben deshalb fast alle? Nein, es wurden auch viele Pflanzen dahingerafft, sie hätten der Hitze trotzen müssen. Und unter den Tieren passt das Muster nicht zur Erwärmung: Theoretisch hätten am meisten die darunter leiden müssen, die zuvor schon eine hohe Stoffwechselrate hatten, also viel Futter brauchten, und nach der Erwärmung noch mehr gebraucht, aber nicht mehr gefunden hätten. Aber viele der Überlebenden hatten einen hohen Stoffwechsel (Nature, 448, S.122). Und sie trotzten auch einer zweiten Bedrohung, der starken Ausdünnung der Ozonschicht – um 70Prozent – durch Salzsäure aus dem Vulkanausbruch.

Lebensretter: Effektive Atmung

Wer überlebte? Wer eine effektive Atmung entwickelt hatte. Die wurde gebraucht, weil gegen Ende des Perm-Zeitalters die Sauerstoffgehalte der Atmosphäre dramatisch sanken, von 30 auf 13 Prozent (heute sind es 21). Das hat Robert Berner, Yale, bemerkt, er bemerkte auch, dass der Schwund schon acht Millionen Jahre vor den sibirischen Vulkanen kam (vermutlich durch andere Vulkane, die auch schon für Erwärmung sorgten: Dadurch trockneten Sümpfe aus, organisches Material kam an die Luft und holte aus ihr Sauerstoff).

Die dünner werdende Luft schränkte auf dem Land den Raum ein, man kann nur bis in gewisse Höhen leben – Menschen heute: 5,1 Kilometer –, schon flachere Hügel wurden unbewohnbar, vermutet Peter Ward (Seattle). Auch das Wasser wurde unwirtlicher, weil sich in wärmerem Wasser weniger Sauerstoff löst. Hinzu kamen die steigenden Gehalte an CO2, ihre Bedeutung zeigt etwa der Nautilus, er überlebte, die ihm äußerlich ähnlichen Ammoniten starben aus: Ein Unterschied zwischen beiden lag in Pigmenten des Bluts, die CO2 aus dem Körper bringen. Die des Nautilus können das gut, die der nächsten Überlebenden der Ammoniten – Tintenfische und Kraken – können es schlecht, sie kommen auch schlechter damit zurecht, dass in (kohlen-)saurerem Wasser der Bau von Schalen schwerer wird.

Noch etwas kam hinzu, Schwefelwasserstoff. Der wird in großen Mengen von Bakterien in sauerstofffreiem Milieu produziert und macht Gewässer unbewohnbar, heute partiell des Schwarze Meer, damals alle Ozeane, zunächst tief unten. Dann stieg diese Zone – wegen des geringen Sauerstoffs –, war sie oben, gingen die Gase in die Luft. Das tötete zwar nur regional, aber die Welt wurde eng: unzugängliche Berge, gefährliche Küsten, Erwärmung, schließlich der finale Schlag aus Sibirien: Hitze.

Selbst diese Mischung musste nicht gleich töten, aber sie schwächte die Reproduktion, nach wenigen Generationen gingen die meisten. Es überlebten eben die, die effektive Atmungssysteme entwickelt hatten, die Cynodonten, Reptilien, aus denen sich die Säuger entwickelten, die Archosaurier, aus ihnen wurden Krokodile, Dinosaurier und (aus denen) Vögel. So trägt die Welt von heute die Erinnerung an damals.

MASSENSTERBEN: Wie viele?

Zahl und Ursache der Massensterben sind umstritten, lange zählte man „Big Five“, sie markierten Enden von Erdzeitaltern: Ordovicium (vor 444 Mio. Jahren), Devon (350), Perm (251), Trias (200), Kreide (65).

Umstritten ist auch, ob derzeit ein Massensterben – Ursache: Mensch – läuft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2007)

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