Klima: Am Kollaps vorbei

Lake-Malawi-Drilling Project
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Vor 135.000 Jahren wurde es in Afrika für lange Zeit so trocken, dass die Menschen in Bedrängnis kamen.

Der Malawi-See, früher und heute einer der tiefsten – 706Meter – und klarsten der Erde, war 60.000 Jahre am Austrocknen, gerade hundert Meter hoch stand das Wasser, brackig und dicht mit Algen bewachsen. Und diese Periode war nicht irgendeine, sie dauerte von 135.000 Jahren bis 65.000 Jahre vor unserer Zeit, es war eine entscheidende Zeit für unsere Ahnen: Vor etwa 150.000 Jahren war in Afrika Homo sapiens entstanden, vor etwa 70.000 Jahren machte er sich auf den Weg nach Norden und erwanderte die Erde.

Zwischen diesen beiden Daten wurde die Population durch eine unbekannte Katastrophe dezimiert, sie ging durch einen „Flaschenhals“, die genetische Vielfalt der Überlebenden – und der Auswanderer – war schmal. Das wusste man, nun bietet ein Team um Andrew Cohen (Tucson) eine Erklärung: Die Forscher haben erstmals Bohrkerne auf dem afrikanischen Kontinent gezogen, aus dem Boden des Malawi-Sees. Vor 135.000 Jahren wurden die zuvor mit dunklen Schichten durchsetzten Sedimente hell, das Dunkle war Asche verbrannter Vegetation, nun gab es offenbar nichts mehr, was brennen hätte können.

Zugleich blühten im See Algen auf, die mit Brackwasser zurechtkommen. Beides passt zu früheren Befunden: Zur gleichen Zeit rückte die Sahara nach Süden vor und die Kalahari nach Norden, offenbar wurde der ganze Kontinent von einer Dürre geplagt. „Vermutlich sind die Populationen der Menschen zusammengebrochen“, berichtet Cohen, sie erholten sich erst wieder vor etwa 70.000 Jahren, vielleicht so gut, dass einige auswandern mussten (Pnas, 8.10).

Die Erholung lag am Segen vom Himmel, aber der hatte auch seinen Fluch, Moskitos, Malaria. In Reaktion darauf begann in den den besonders betroffenen Regionen Afrikas die Evolution zu arbeiten. Es kamen Genvarianten, die vor Malaria schützen, aber um einen hohen Preis: Wenn beide ererbten Chromosomen die Mutation tragen, kommen andere Krankheiten, Sichelzellen-anämie, Thalassämie.

Bei Malaria gut, bei Bakterien schlecht

Dem Schutz dient auch eine Variante des Toll-like receptor 4 (TLR4). Der Rezeptor gehört zum Immunsystem, er detektiert Viren, Bakterien, Protozoen, Malaria gehört dazu. Die Variante erhöht zwar die Malaria-Infektionsrate, sorgt aber für einen milderen Verlauf. Aber sie ist auch gefährlich, bringt tödliche Überreaktionen auf Bakterien.

Diese Variante hat heute eine eigenartige Verteilung: Es gibt sie vor allem in Afrika, auch in Europa – dort wird sie von einer jüngeren Variante neutralisiert –, nicht in Amerika. Das bringt Mihai Netea (Nijmwegen) zu folgendem Szenario: Die Variante wurde noch vor der Auswanderung in Afrika entwickelt, sie wurde in Europa neutralisiert, weil es dort weniger Malaria gab und mehr bakterielle Bedrohungen, sie wurde vor der Erwanderung Amerikas abgelegt (Pnas, 8.10.). Unumstritten ist das nicht: Es gab wohl auch in Europa mehr als genug Malaria.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2007)

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