Medizin: Gendefekt schützt vor Diabetes und Fettsucht

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Gruppe um Josef Penninger macht überraschenden Fund, der neues Licht auf den Stoffwechsel wirft.

Die zeitgenössischen Zivilisations-Krankheiten sind die des Stoffwechsels: Die Verfettung grassiert derart, dass ihr die Weltgesundheitsorganisation WHO einen Namen gegeben hat („obesity epidemy“), und der oft mit ihr verbundenen Diabetes Typ-2 befällt über sechs Millionen Menschen im Jahr. Noch mehr haben die Vorform, Insulinresistenz: Insulin ist ein Botenstoff, der den Metabolismus mitreguliert, er wird beim Prädiabetes zwar produziert, aber in seinen Zielzellen nicht wahrgenommen.

Woran das liegt, ist unklar, ein Mechanismus fällt seit einiger Zeit auf: Prädiabetes geht mit einem Defekt in den Mitochondrien einher, das sind die Kraftwerke der Zellen, in denen Energieträger wie Zucker in die Energieform umgesetzt werden, die von Zellen verwertet werden kann, ATP. „Weil es diese Korrelation gibt, haben viele vermutet, dass der Mitochondrien-Defekt eine Ursache für Prädiabetes ist, das ist geradezu ein Paradigma geworden“, berichtet Josef Penninger (IMBA, Wien): „Wir haben nun aber gesehen, dass es gerade umgekehrt ist: Primäre mitochondriale Defekte führen zu weniger Prädiabetes und weniger Fett.“

Gezeigt hat sich das an Mäusen, denen ein Gendefekt in die Mitochondrien eingebaut worden war. An solchen Mäusen forscht die Gruppe um Penninger schon länger – aus anderen Gründen, dazu später –, nun fiel auf, dass die Genaktivität der Mäuse stark der von prädiabetischen Menschen ähnelt. „Das hat uns auf die Idee gebracht, an diesen Mäusen erstmals den Zusammenhang von mitochondrialen Defekten und Prädiabetes und Fettsucht zu testen.“ Getan hat das vor allem Penningers Mitarbeiter Andrew Pospilik, das Ergebnis war frappant: Mäuse mit dem Gendefekt erkrankten nicht und wurden auch bei fetter Kost nicht fett (Cell, 131, S.476).

Verringerte Energieeffizienz

Das liegt vermutlich daran, dass defekte Mitochondrien aus dem Input an Energie (Nahrung) weniger Output herausholen (ATP), also mehr verbrennen müssen, um dem Körper die gleiche Energiemenge zur Verfügung zu stellen. Wie kommt es zu dieser Störung, warum fahren Zellen ihre Energieeffizienz herab? „Wir vermuten, dass es ein Schutzmechanismus ist“, erklärt Penninger, „aber wovor er schützt, ist unklar, der Metabolismus insgesamt ist offenbar viel komplexer als man bisher vermutete.“ – Damit ist für die Grundlagenforschung einiges gewonnen. Und für die angewandte, kommen mögliche Therapien? Nicht so leicht: Die früheren Forschungen an Mäusen mit dem Gendefekt haben gezeigt, dass der Defekt auch böse Folgen hat: Die Muskelzellen insgesamt und vor allem die des Herzens leiden an der mangelnden Energieeffizienz. „Wenn man an diesen Schrauben dreht“, erklärt Penninger, „muss man gut aufpassen, dass man nicht zu viel dreht.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.11.2007)

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