Physik: Eine Brücke aus H2O

Fuchs/Woisetschläger
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Wasser schwebt unter Hochspannung zwischen zwei Gefäßen. Grazer Forscher beschreiben diesen Effekt.

Zuerst springen Funken. Dann kriecht das Wasser an den Wänden der beiden Gefäße nach oben. Dann springt das Wasser – und bildet eine Brücke, frei schwebend, über einen Abstand von 2,5Zentimetern.

Dieses durch elektrische Hochspannung (25Kilovolt) erzeugte physikalische Wunderwerk ist bis zu 45 Minuten stabil – bis zu viel Staub aus der Umgebung es einstürzen lässt. Jeder kann es im Internet auf YouTube ansehen.

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Denn eine Gruppe um Elmar Fuchs von der TU Graz (Institut für Physikalische und Theoretische Chemie) hat dieses Phänomen untersucht – und entdeckt, dass die flüssige Brücke nicht nur stabil ist, sondern dabei auch fließt. Und zwar in beide Richtungen: Die Grazer Chemiker zeigten, dass zugleich Wasser vom negativen zum positiven Pol floss und umgekehrt (Journal of Physics D, S.6112). Mehr noch: Man sieht mit einer Thermokamera (die die Temperatur registriert) Schwingungen im Inneren der Brücke und, so Fuchs, „Dichteunterschiede in einer Höhe, die wir im flüssigen Wasser nicht für möglich gehalten hätten“.

All das nicht bei Wechselstrom, der Schwingungen und Schwankungen intuitiv nahelegen würde, sondern bei Gleichstrom. Wie kann man sich das erklären? „Durch den Strom bilden sich elektrostatische Oberflächenladungen“, sagt Fuchs, „wie bei den ,cone jets‘ im Tintenstrahldrucker. Nur dort zerreißt der ,cone‘, der Kegelstumpf, gleich in Tröpfchen. Warum das hier nicht passiert? Wir wissen es nicht. Irgendwie hält das in der Brücke stark gebündelte elektrische Feld diese zusammen.“

Die Thermoanalyse zeigt, dass das in der Brücke fließende Wasser dichter ist als das ruhende. Das könnte bewirken, dass es besondere geordnete Mikrostrukturen bildet, die die Brücke stabilisieren, indem sie ein stabiles Gleichgewicht zwischen der Oberflächenspannung und der (durch das elektrische Feld verstärkten) Dipol-Dipol-Wechselwirkung begünstigen.

Das Wasser muss jedenfalls sehr pur sein. Schon geringe Mengen von (fremden) Ionen zerstören den Effekt. Verständlich: Jedes Ion umgibt sich mit einem „Wassermantel“ und stört damit die Struktur des Wassers.

NICHT NORMAL: H2O

Wasser ist ein ganz besonderer Saft. Schon seine berühmte „Anomalie“ (dass es bei vier Grad Celsius dichter ist als bei null Grad) zeigt, dass es „in sich gefestigter“ ist als andere Flüssigkeiten. Das liegt daran, dass seine Moleküle 1) dipolar sind (mit einem negativen Pol am Sauerstoff und positiven Polen an den Wasserstoff-Atomen) und 2) Wasserstoffbrücken bilden.

In Wasserstoffbrücken liegt je ein H zwischen zwei O. Durch diese Brücken entstehen größere Molekül-Cluster, die die Flüssigkeit stabilisieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2007)

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