Pneumologie: Zellen mit hinterlistiger Fracht

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Der Tiroler Christian Kähler und sein Team rücken dem Lungen-Krebs mit Selbstmord-Genen zu Leibe.

INNSBRUCK. Ein trojanisches Pferd muss nicht aus Holz sein. Auch eine äußerlich ganz unauffällige Zelle kann eine hinterlistige Fracht in sich tragen. Ein Mechanismus, den sich Christian Kähler, Lungenspezialist an der Medizin Uni Innsbruck, und sein Team im Kampf gegen den Krebs zu Nutze machen. „Wir verwenden dazu endotheliale Progenitorzellen, also Vorläuferzellen von Endothelzellen, die wir mit einem Selbstmord-Gen ausstatten. Endothelzellen sind jene Zellen, die die Blutgefäße auskleiden. Vor sieben Jahren konnten wir als Teil einer Arbeitsgruppe unter Eberhard Gunsilius in Innsbruck erstmals zeigen, dass diese Zellen im Knochenmark gebildet werden. Es ist daher relativ einfach, an Stammzellen der Endothelzellen heranzukommen.“

Blutgefäße fördern Metastasen

Wenn ein (Lungen-)Tumor entsteht, benötigt er zunächst noch keine eigenen Blutgefäße. Für seine Ernährung reicht die Diffusion aus dem umliegenden Gewebe aus. Erreicht der Tumor jedoch eine Größe von 2–3mm, braucht er dringend eine eigene Blutversorgung, um das Wachstum und Überleben seiner Zellen zu sichern. Um dieses zu gewährleisten, nutzt der Tumor körpereigene Blutgefäße. Der Tumor gibt einen sogenannten „Blutgefäß-Wachstumsfaktor“ an die Umgebung ab, der die umliegenden Blutgefäße anregt, Verästelungen in Richtung des Tumors auszubilden. Aber auch Stammzellen induzieren den Aufbau neuer Gefäße – der Prozess heißt Vaskulogenese. Durch die Gefäßneubildung wird das weitere Wachstum des Tumors gefördert. Auch das Risiko für die Ausbildung von Metastasen wird erhöht – denn der Tumor kann sich über die neuen Blutgefäße in andere Organe ausbreiten.

Ziel der neuen Methode ist es, dem Tumor für die Gefäßneubildung präparierte Endothelzellen unterzujubeln. In diese Zelle wurde ein Gen eingebracht, das, wenn es aktiviert wird, zum Selbstmord der Zelle führt. „Durch ein gängiges Virus-Medikament können wir dieses Gen einschalten. Die Zellen sterben ab, die Bildung von Blutgefäßen wird gehemmt. So könnte dem Tumor die notwendige Sauerstoffzufuhr entzogen werden“, so Kähler.

In Tierversuchen hat sich das Modell bereits bewährt. „Wir haben endotheliale Vorläuferzellen aus dem Knochenmark isoliert, in vitro kultiviert und vermehrt. Anschließend haben wir den Tieren diese Zellen in die Beinvene gespritzt. Die entscheidende Frage war: Wandern die Zellen an jene Orte im Organismus, wo sie gebraucht werden? Und nisten sie sich dort ein? Die erfreuliche Antwort lautet: Ja.“

Vision: Heilungschance erhöhen

Eine der Zukunftsvisionen der Forscher: mit der neuen Methode die Heilungschancen bei Lungenkrebs zu erhöhen. Derzeit beträgt die 5-Jahres-Überlebensdauer bei dieser Krebsart rund zehn Prozent.

„Die Chemotherapie bringt nur in einem geringen Prozentsatz Heilung. Sie kann jedoch die Lebensqualität und Überlebensdauer erhöhen. Mit der nicht-medikamentösen Hemmung des Gefäßwachstums glauben wir, einen guten neuen Ansatz gefunden zu haben. Weil gerade bei Lungenkrebs die Gefäßdichte sehr hoch ist und weil wir diese Stammzellen im Blut und im Lungenkrebsgewebe von Patienten nachweisen konnten.“ Und gegenüber der herkömmlichen Gentherapie hat die sogenannte zellbasierte Gentherapie den Vorteil, dass die genetisch programmierten Zellen an jene Orte wandern, an denen sie gebraucht werden. „Dadurch erwarten wir eine wesentlich nachhaltigere Wirkung als bei bisherigen Verfahren.“

Bis es zum Einsatz am Patienten kommt, wird es aber noch einige Zeit dauern. „Wir hoffen, dass wir in rund zwei Jahren mit klinischen Studien beginnen können.“

Bewährt sich das Modell in den weiteren Tests, könnte die zellbasierte Gentherapie auch bei anderen Krankheiten zum Einsatz kommen. „Etwa bei Lungenhochdruck, Emphysem oder Lungenfibrose. Hier könnten wir Zellen einbringen, die für den Aufbau neuer Gefäße sorgen. Im Tiermodell arbeiten wir bereits daran.“

International führend

Mit ihren Arbeiten (die letzte wurde in der Zeitschrift Respiratory Research veröffentlicht) gehört das Team um Christian Kähler zu den international führenden Forschergruppen auf diesem Gebiet. Die Innsbrucker Forscher kooperieren eng mit der Arbeitsgruppe um den Onkologen Wolfgang Hilbe und den Pneumologen Jürg Hamacher in Bern.

Was macht Kliniker und Grundlagenforscher Kähler als Ausgleich zur Laborarbeit? „Ich versuche, nicht auf das wirkliche Leben zu vergessen. Familie, Freunde, Sport – vor allem Fußball, Skifahren, Rennradfahren und Gartenarbeit. Gerade bei der Bewegung an der frischen Luft bekommt man den Kopf frei vom Dauerstress in der Klinik – und es kommen einem die interessantesten neuen Ideen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2007)

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