US-Immokrise: Es ist alles nicht so schlimm

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Die Krise auf dem US-Immobilienmarkt wird für Banken weltweit zum Problem. EZB, Fed & Co. versuchen, mit Milliarden-Spritzen zu beruhigen.

WIEN. Es ist wie ein Domino-Spiel. Fällt ein Stein, fallen mit Sicherheit weitere Steine. Doch niemand weiß, wie groß der Dominoeffekt sein wird. Der erste Stein, so viel ist gewiss, waren die Probleme am US-Immobilienmarkt. Und diese Probleme galten im Prinzip im Frühjahr als gelöst. Einige Immobilienfinanziers schlitterten in die Pleite, einige Häuslbauer verloren ihr Eigenheim, doch darüber hinausgehende Sorgen gab es nach Ansicht aller Experten nicht. Inzwischen sehen das viele von ihnen anders. An den Finanzmärkten herrscht Panik, dass es durch einen Dominoeffekt zu einer globalen Finanzkrise kommen könnte.

Denn aus den Zahlungsschwierigkeiten einiger US-Häuslbauer ist ein gravierendes globales Problem geworden: Die Banken vergeben immer weniger Kredite und misstrauen einander zusehends. Das hat dazu geführt, dass selbst Großbanken in Europa einander diese Woche nur noch beschränkt Kredit einräumten, weil keiner so genau weiß, welches Institut wie viel Geld auf dem US-Immobilienmarkt versenkt hat. Das Dilemma dabei: Eine Krise im Bankensystem könnte sich zu einem handfesten Drama für die Wirtschaft ausweiten. Haben die Banken weniger Kapital zur Verfügung, können sie auch weniger Kredite an Unternehmen und private Kreditnehmer vergeben. Das wiederum würde die Konjunktur bremsen.

Rund um den Globus haben die Zentralbanken daher in einer überraschenden und offenbar abgestimmten Aktion den Banken Milliarden an Kapital zur Verfügung gestellt, um die tief verunsicherten Finanzmärkte zu beruhigen. Zuvor hatten mehrere Großbanken, darunter etwa die Pariser BNP Paribas, eingestanden, dass sie im US-Immobilienmarkt mehrere Milliarden Euro verloren haben. Bankaktien - egal, ob sie von der Krise tatsächlich betroffen sind oder nicht - verloren enorm an Wert. Und das trotz kräftiger Finanzspritzen durch die Notenbanken.

Die Europäische Zentralbank, die am Donnerstag fast 95 Milliarden Euro an Sonderkrediten an 49 Großbanken vergeben hatte, stellte den Banken am Freitag erneut 61 Milliarden Euro zur Verfügung, damit es zu keinen Liquiditätsengpässen bei den Kreditinstituten kommt. Auch die US-Notenbank Fed und die japanische Zentralbank pumpten in den vergangenen Tagen außergewöhnlich viel Kapital in die Finanzmärkte.

Mit ihren Interventionen haben die Notenbanken zunächst aber keineswegs das Vertrauen in die Finanzkraft der Banken gestärkt, meinen Experten: "Die Banken hängen sehr stark von anderen Banken ab. Sie sind sehr dicht vernetzt. Ich muss sagen, mich beunruhigt, dass jetzt die EZB, die dieses Dilemma sehr gut kennt, rund 95 Milliarden Euro in den Kapitalmarkt steckt", meint der renommierte Ökonomieprofessor Erich Streissler im "Presse"-Interview.

Streissler rechnet damit, dass die Banken in Europa und Asien weit stärker unter der US-Immobilienkrise leiden werden als die US-Banken: "In den Dreißigerjahren haben die Amerikaner am meisten verloren und die Europäer weniger. Damals waren die Amerikaner die Geldgeber. Wenn man also nun die Situation auf die Dreißigerjahre umlegt, dann müssten diesmal die Japaner und Europäer mehr verlieren."

Kritik an der Kapitalspritze der EZB übt auch Helge Rechberger, Leiter der Aktienanalyse der Raiffeisen Zentralbank. Anstatt zu beruhigen habe die Zentralbank die Anleger möglicherweise beunruhigt. Die Kurseinbrüche vom Freitag an den Weltbörsen geben dieser Theorie Recht. Ganz nach dem Motto "Jetzt muss die Lage schon ganz schön schlimm sein, wenn die Zentralbanken in dieser Form intervenieren" haben Anleger Aktien in großem Stil verkauft. Am Abend zeigten sich die US-Aktienbörsen allerdings wieder etwas erholt, weil die Fed den nach Kapital dürstenden Banken am Freitag sogar noch eine zweite Geldspritze gab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2007)

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