Aufholprozess: Serbien will im Jahr 2012 EU-Mitglied sein

Trotz offener Kosovo-Frage und dem Streit um das Kriegsverbrecher-Tribunal hoffen Serbiens Politiker auf einen baldigen EU-Beitritt.

BELGRAD. Vor nicht einmal zehn Jahren hat die Nato die serbische Hauptstadt Belgrad bombardiert, um einen Völkermord im Kosovo zu verhindern. Spätestens in diesen Tagen im Jahr 1999 wurde die größte Teilrepublik Ex-Jugoslawiens zum europäischen Paria. Bis heute gibt es mit der ungelösten Kosovo-Frage und der Kontroverse um das Haager Kriegsverbrecher-Tribunal politische Konflikte.

Wirtschaftlich sieht die Lage anders aus. „Wie leben in zwei Welten. Angesichts der politischen Probleme werden die wirtschaftlichen Erfolge kaum gesehen“, sagt Serbiens Wirtschaftsminister Milan Parivodi zu österreichischen Journalisten. Die serbische Wirtschaft wuchs seit der Jahrtausendwende im Schnitt um 5,5 Prozent pro Jahr. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf verdreifachte sich von 1400 auf 4300 Dollar.

Zudem findet ausländisches Kapital den Weg nach Serbien: „2004 hatten wir Investitionen von knapp einer Mrd. Dollar. Im Jahr 2005 stieg diese Zahl auf 1,6 Mrd. Dollar, im Vorjahr auf 5,5 Mrd. Dollar. Zum Vergleich: Indien hat ausländische Investitionen von rund sechs Mrd. Dollar pro Jahr“, so Parivodi.

Auch viele österreichische Unternehmen haben kräftig investiert. So kaufte die heimische Mobilkom – nachdem sie die Versteigerung um die serbische Mobtel verloren hatte – die dritte serbische Mobilfunklizenz. Auch die Raiffeisenbank, die BA-CA, die Hypo-Alpe-Adria und die Erste Bank sind stark vertreten. „Zwischen 2002 und 2006 hat Österreich 1,5 Mrd. Euro in Serbien investiert. Auch jene, die erst jetzt kommen, können noch viel Geld machen – so wie die österreichischen Banken“, so Parivodi.

Die Investoren sollen durch weitere Privatisierungen und staatliche Unterstützungen angelockt werden. So sollen noch heuer der serbische Ölkonzern NIS und die Fluglinie JAT teilprivatisiert werden. Unternehmen, die mehr als 100 Jobs schaffen und zehn Mio. Euro investieren, verspricht der Staat eine zehnjährige Befreiung von der Körperschaftsteuer. Dies, obwohl die Steuer mit zehn Prozent bereits die zweitniedrigste Europas ist (Montenegro liegt noch um einen Prozentpunkt darunter). „In zehn Jahren soll Serbien zusammen mit Griechenland die führende Industrienation am Balkan sein“, so Parivodic. Dazu gehöre auch ein EU-Beitritt. „Wir wollen 2012 EU-Mitglied sein.“

„Wissen nicht, wo Mladi ist“

Bislang wird allerdings jegliche Annäherung an die EU durch die politischen Konflikte blockiert. Ob sich dies in Zukunft ändern wird, ist fraglich. „Wir werden einen unabhängigen Kosovo nie anerkennen. Wir werden lediglich die de-facto-Situation akzeptieren“, sagt Parivodi. Und auch die von der EU geforderte Auslieferung des Ex-Generals Ratko Mladi dürfte noch länger dauern. „Wir wissen nicht, wo er ist. Wir können ihn ja nicht einfach herzaubern.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2007)

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