Slowakei: Schlechte Zeiten für Steuersünder und Betrüger

Die slowakische Polizei feiert Erfolge gegen Steuerbetrüger, obwohl oft Mafia-Banden dahinter stehen.

Bratislava. Mehr als ein Jahr dauerte es, bis Polizeipräsident Ján Packa die Verhaftung der Hauptakteure des größten jemals aufgedeckten Steuerbetrugs der Slowakei bekannt geben konnte: Um mehr als 611,5 Mio. Kronen (18,25 Mio. Euro) an Mehrwertsteuergeldern hatte eine international agierende Händler-Gruppe den slowakischen Staat betrogen.

Diese Summe hatte sich die Gruppe an Mehrwertsteuer für fiktive Exporte von Alteisen und Edelmetallen in neun Länder „zurückzahlen“ lassen. Sieben Verantwortliche sind bereits in Haft, die Polizei geht aber von zumindest 28 Beteiligten aus, gegen die Anklage erhoben werden soll.

„Klein angefangen“ hat das große „Geschäft“ laut bisherigem Kenntnisstand der Polizei im Jahre 2003 der Rädelsführer Stefan R. alleine. Sein Erfolg war aber bald so groß, dass er sich nach und nach die sechs anderen jetzt Verhafteten als Partner ins Unternehmen holte, weil er die Expansion gar nicht mehr allein bewältigen konnte. Allein am 17. April waren laut Packa 160 Polizisten an 35 nahezu gleichzeitigen Hausdurchsuchungen in der ganzen Slowakei beteiligt. Und wenig überraschend soll ein nicht unwesentlicher Teil des dabei gefundenen Beweismaterials auch dazu dienen, jene Mittäter in den Steuerbehörden zu überführen, ohne deren Beteiligung das Ganze wohl kaum hätte laufen können.

Brave Helfer bei den Behörden

Damit weist der Fall auch die beiden typischen Merkmale praktisch aller großen Steuerbetrügereien auf, die in der Slowakei in den vergangenen Jahren aufgedeckt wurden: Mafiöse Organisationsstruktur der eigentlichen Täter und willfährige Handlanger bei den Behörden, deren Mittäterschaft von „bezahltem Nichts-Merken“ bis zur aktiven Mitorganisation der Geldflüsse und notwendigen Bestätigungen reicht. Die Betätigungsfelder der aufsehenerregendsten Zoll- und Steuerbetrugsaffären der vergangenen Jahre betrafen vor allem Zigaretten und Energie.

Auf den groß angelegten Import von nicht deklarierten Zigaretten insbesondere aus der Ukraine spezialisierten sich gleich mehrere teils blutig miteinander konkurrierende Gruppen. 8,2 Mio. Zigaretten wurden im Mai vorigen Jahres allein in einer einzigen für den Weiterexport nach Österreich bestimmten Ladung beschlagnahmt.

Aus der Reihe der bevorzugten Arbeitsmethoden tanzten hingegen die Betreiber einer im Vorjahr aufgedeckten illegalen Zigarettenfabrik in der Stadt Kosice. Diese produzierte jahrelang unentdeckt und „steuerfrei“ rund zehn Mio. Stück Zigaretten pro Monat. Ebenfalls im Mafia-Umfeld angesiedelt waren groß angelegte Manipulationen, die Diesel in großen Mengen aus steuerbegünstigtem Heizöl „herstellten“.

Gerade wegen der noch immer als Kavaliersdelikt betrachteten, allgegenwärtigen Korruption kommen hingegen „reine“ Steuerbetrügereien selten ans Tageslicht. Simple Steuerhinterziehungen dürften aber durch die Niedrigsteuerpolitik des Landes seit Einführung der 19-prozentigen Flat tax im Jahr 2004 an Attraktivität verloren haben. Ex-Finanzminister Ivan Miklos pflegte das Phänomen, dass die Staatseinnahmen aus der Einkommenssteuer trotz Steuersenkungen gestiegen sind, neben dem hohen Wirtschaftswachstum auch damit zu begründen, dass es sich bei der Einfachheit des slowakischen Steuersystems gar nicht mehr lohne, nach Schlupflöchern zu suchen.

Reduzierung der Strafgelder

Die alltäglichen Einzelhinterziehungen etwa von Polizisten, die Strafgelder „großzügig“ reduzieren und dafür „ohne Bestätigung“ einheben (also statt ins Staatssäckel in die eigene Tasche stecken), haben hingegen an Selbstverständlichkeit eingebüßt, seit Ex-Innenminister Vladimír Palko jede noch so geringfügige Aufdeckung solcher Fälle zum Medienereignis hochstilisierte und damit Geber wie Nehmer verunsicherte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2007)

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