Kosovo, Provinz der Widersprüche

(c) Helmar Dumbs
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In der Warteschleife. Die Albaner erwarten sich von der Klärung des Status einen Boom. Doch bereits jetzt haben einige österreichische Firmen den Sprung ins Ungewisse gewagt.

Pristina. Gleich hinter dem Friedhof für gefallene „Helden“ der kosovarischen Untergrundarmee UCK nach links, und da steht er, der Stolz Peter Tomaneks: Die nagelneue Molkerei von Suva Reka, Südkosovo. Das „Nöm“-Logo auf dem Milchtanker ist ein dezenter Hinweis darauf, dass die Raiffeisen Niederösterreich-Wien hier die Fäden zieht.

„Frischmilch kam hier bisher quasi direkt aus der Kuh in den Supermarkt, im Plastikbeutel“, erklärt Raiffeisen-Manager Tomanek. Da sei die Molkerei doch ein hygienischer Fortschritt. 2500 Liter Produktion brauche man täglich, um rentabel zu sein. 2500 Liter Milch verlassen das Gelände auch. Pro Woche. Wegen fehlender Kühlkapazität in den Geschäften sei mehr derzeit nicht möglich, klagt Tomanek.

Szenenwechsel, Strabag-Steinbruch in Glogovac, Zentralkosovo. Mit beängstigendem Krachen zermalmt der „Vorbrecher“ die gröbsten Brocken, auf Förderbändern rattert der Kalkstein zur weiteren Zerkleinerung. An neuralgischen Punkten wachen Arbeiter dass alles rund läuft. „Eine Visualisierung kostet ein Vermögen“, erklärt Markus Häupl von der Strabag-Tochter „Mineral Abbau“. Da zahlt man doch lieber die 250 Euro Lohn pro Arbeiter. „Und man steht im Ort besser da, wenn man Arbeitsplätze schafft“, räumt Häupl ein.

Wirtschaft im Embryonal-Stadium

Zwei Beispiele, die symptomatisch sind für die im Embryonal-Stadium befindliche Wirtschaft der von der UNO verwalteten Provinz im Süden Serbiens: Hier das ambitionierte Projekt mit Entwicklungs-Hintergrund, das hart auf der kosovarischen Realität aufschlägt, dort das Lohnniveau, bei dem es sich rechnet, Personal einzustellen.

Kosovo steckt voller Widersprüche: „Die Kosovo-Albaner verbinden irgendwie die schlechten Eigenschaften der Serben mit denen der Albaner“, schimpft ein Österreicher mit langer Business-Erfahrung in der Region. „Wir hatten keinerlei bürokratische Hindernisse beim Markteintritt, alles lief perfekt, meint ein anderer. Zwei Mal Kosovo, zwei Realitäten.

Widersprüche bekamen die 26 Teilnehmer einer Marktsondierungsreise der Wirtschaftskammer Österreich sogar bei der Kernfrage zu hören, dem Status der Provinz: Wenn der erst – in ihrem Sinne, also der Unabhängigkeit – geklärt sei, beteuern die Kosovo-Albaner, werde ihre Wirtschaft boomen. Viele Investoren würden derzeit eben noch warten, bis sich die politische Situation geklärt habe.

Solche Theorien kosten Raiffeisen-Kosovo-Chef Oliver J. Whittle, dessen Mutterkonzern Ende 2002 den Sprung in die Provinz wagte, ein müdes Lächeln: „Ernsthafte Investoren, die jetzt nicht hier sind, sollten sich fragen, ob sie überhaupt kommen wollen. Angeblich stehen viele Schlange. Zeigt sie mir, dann kann ich ihnen sagen, dass sie schon jetzt kommen sollen.“ Was dafür spricht: Es gibt moderne Gesetze, deren Gültigkeit vom Status unabhängig sind, wie Christian Mikosch von der Anwaltskanzlei Wolf Theiss erläutert, die auf die Region spezialisiert ist.

Was dagegen spricht: Zu seinem Recht zu kommen sei nicht immer leicht, meint Mikosch: „Das Justizsystem ist, nun ja, verbesserungswürdig. Einmal weigerte sich eine Behörde glatt, uns die Kontonummer für die Gerichtsgebühr zu nennen. Sie trauten sich nicht zu sagen, dass sie nicht zuständig sind. Und die Korruption in der Justiz? „Nicht schlimmer als in Albanien“.

„Pflanze, die man gießen muss“

Auch wenn die Status-Frage bald geklärt ist: „Für Kosovo wird es in vielen Bereichen nicht leicht, die Import-Abhängigkeit zu reduzieren und eigene Produktion aufzubauen“, meint Josef Treml, Österreichs Vize-Handelsdelegierter in Belgrad. WKO-Außenhandelschef Walter Koren drückt es so aus: „Kosovo ist eine kleine Pflanze, die man gießen muss“. Und wenn der Status noch Monate auf sich warten lässt? Koren: „Geschäfte macht man nicht von heute auf morgen. Interessierte Firmen wären gut beraten, jetzt potenzielle Partner zu suchen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2007)

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