Energie: Kreml erhöht den Druck auf Russneft

Ein Moskauer Gericht friert die Aktien des Ölkonzerns ein. Der Fall ähnelt stark der Liquidation von Yukos.

MOSKAU. Das Moskauer Arbitragegericht hat auf Antrag der russischen Steuerbehörden bis auf weiteres alle Geschäfte mit Aktien des neuntgrößten russischen Ölkonzerns Russneft untersagt. Die Aktien der Gesellschaft, die Analystenschätzungen zufolge rund zehn Mrd. Dollar wert sind, sind nicht in freiem Handel erhältlich.

Damit hat der Kampf des Kreml gegen den Russneft-Präsidenten Michail Gutserijew (49), einen der reichsten Männer Russlands, einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. „Am Ende könnte der bedeutendste Teil der Aktiva an den Staat übergehen“, vermutete die russische Internetzeitung www.gazeta.ru und folgerte: „Russneft wird in seine Einzelteile zerlegt.“ Damit könnte Russneft wie der Fall Yukos enden, der zur Zerschlagung und faktischen Verstaatlichung des einst größten Ölkonzerns führte.

400 Mio. Euro Steuerschulden

Am 29. Juni befasst sich das Arbitragegericht mit zwei Klagen der Steuerbehörden gegen Russneft. Der Fiskus fordert umgerechnet 400 Mio. Euro an Steuern nach und wirft den Eigentümern vor, illegale Aktiengeschäfte getätigt zu haben, die „dem Gesetz und der Moral“ widersprechen.

Die Eigentümerstruktur von Russneft ist unklar. Dem Bericht für das erste Quartal 2007 zufolge hat die Ölgesellschaft sechs Aktionäre. Das sind Firmen mit Namen wie „Evangelika“ oder „Zuverlässigkeit“. Seit der Gründung von Russneft 2002 änderte sich die Aktionärsstruktur acht Mal. Hinter den sechs Firmen wird Michail Gutserijew vermutet. Im Jahresbericht heißt es jedoch, Gutserijew halte keine Russneft-Aktien. Die Forbes-Geldrangliste in Russland führt ihn dennoch mit einem Vermögen von drei Mrd. Dollar an Rang 31. Gutserijew, der zu dem Fall schweigt, ist noch auf freiem Fuß, darf aber Russland nicht verlassen.

Der Öl-Baron hatte sich mehrfach mit dem Kreml überworfen. Zum einen galt der gebürtige Tschetschene als Kritiker der Kaukasuspolitik von Präsident Wladimir Putin. Zum anderen erwarb er, ohne Absprache mit dem Kreml, Teile des Yukos-Konzerns, was für Missstimmung im Zentrum der Macht sorgte.

Als potenzieller Favorit für die Übernahme von Russneft gilt der Staatskonzern Rosneft, der sich bereits den Löwenanteil der Yukos-Vermögenswerte gesichert hat und damit zum größten Ölproduzenten Russlands aufstieg. Der Gasmonoplist Gazprom dementierte ein Interesse.

Politische Abrechnung?

Das Vorgehen gegen Gutserijews Imperium verlief bislang generalstabsmäßig, weshalb es auch als unwahrscheinlich gilt, dass es nicht um eine politische Abrechnung geht. Auf der Konzernwebsite von Russneft wird Gutserijew noch stolz mit der Auszeichnung „Manager des Jahres 2006“ gezeigt. Diesen Titel hatte früher auch Michail Chodorkowskij inne – der nach seinem verlorenen Kampf gegen Kremlchef Putin nun eine achtjährige Lagerhaft in Sibirien verbüßt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2007)

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