Russland: BP steigt aus Gasprojekt aus

EPA (Anton-Denisov)
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Nach Druck des Kremls verkaufen die Briten ihre Anteile an Gazprom.

MOSKAU. Nach monatelangem Druck durch den Kreml tritt der britische Mineralölkonzern BP seine Anteile an dem bedeutenden Erdgasfeld Kovykta an den russischen Staatskonzern Gazprom ab. Laut Gazprom beträgt der Kaufpreis für die 62,9 Prozent, die das Joint-Venture TNK-BP an dem Lizenznehmer Rusia Petroleum hält. 700 bis 900 Mio. Dollar. Zu dem Paket gehören noch 50 Prozent an der Ostsibirischen Gasgesellschaft.

TNK-BP und Gazprom unterzeichneten zudem ein Memorandum of Understanding zur Gründung einer strategischen Partnerschaft, die die Grundlage für ein Joint-Venture sein soll. Im Kreml saß am Freitag Gazprom-Aufsichtsratsvorsitzender und Vizepremier Dimitri Medwedew mit Top-Managern von BP und TNK-BP zusammen, um die Details zu verhandeln.

Option auf Rückkauf

Das ostsibirische Feld Kovykta verfügt über Reserven von zwei Billionen Kubikmetern Erdgas und 83 Mio. Tonnen Gaskondensat und ist mit Investitionen von 20 Mrd. Dollar eines der weltgrößten Erdgasprojekte. Aus Kovykta könnte Deutschland 20 Jahre lang seinen Gasbedarf decken. TNK-BP hatte bislang rund 600 Mio. Dollar in Kovykta investiert. Neben TNK-BP sind noch die Industrieholding Interros der Milliardäre Michail Prochorow und Wladimir Potanin sowie die Regionalregierung von Irkutsk an Rusia Petroleum beteiligt.

Auf ähnliche Weise hatte Gazprom bereits Anfang des Jahres dem britisch-holländischen Energiemulti Royal Dutch Shell die Aktienmehrheit an dem weltgrößten Öl- und Gasförderprojekt Sachalin II, bei dem es um Investitionen von 22 Mrd. Dollar geht, abgerungen. Wie im Fall Sachalin wurde bei Kovykta das Ministerium für Naturressourcen aktiv, das mit Lizenzentzug drohte. Bei Shell war von Umweltsünden die Rede, bei Kovykta davon, dass BP zu wenig Gas fördere.

Gazprom dürfte Kovykta, das aufgrund seiner geografischen Nähe zum energiehungrigen China von Interesse ist, in sein Portfolio zu den strategischen Reserven hinzufügen. Das Feld soll voraussichtlich 2017 erschlossen werden.

Um Auslandsinvestoren nicht vollends zu verschrecken, bot Gazprom Shell wie auch BP neben einer Abschlagszahlung die Zusammenarbeit in anderen Bereichen an. So gründen BP und Gazprom nun ein weltweit agierendes Joint-venture für Förder- und Raffinerieprojekte, in das beide Seiten je 1,5 Mrd. Dollar investieren. Zudem wird BP eine Option eingeräumt, binnen 12 Monaten nach dem Verkauf 25 Prozent plus eine Aktie an Kovykta zurückzukaufen.

Putin spricht von „Ehrlichkeit“

BP-Chef Tony Hayward bezeichnete am Montag das Russlandgeschäft als „höchst profitabel“. BP hatte 2003 mit den drei Milliardären Viktor Vekselberg, Leo Blavatnik und Michail Friedman das Joint-Venture TNK-BP gegründet. BP bezahlte für den Einstieg 7,7 Mrd. Dollar. Russland sorgt heute für ein Fünftel der Reserven von BP, ein Viertel der Fördermenge und ein Zehntel des Gewinns.

Die russischen Aktionäre an TNK-BP dürfen frühestens Anfang 2008 ihre Anteile an dem Gemeinschaftsunternehmen verkaufen. Gazprom hat bereits Interesse angemeldet. So könnte die Allianz zwischen Gazprom und BP trotz der rüden Auseinandersetzung um Kovykta in eine (Zwangs)-Partnerschaft münden.

Der russische Staat hat unter Präsident Wladimir Putin seine Präsenz im Rohstoffsektor ausgeweitet. Gazprom kontrolliert 85 Prozent der Fördermenge in Russland, die staatlich beherrschten Ölkonzerne 40 Prozent der Ölproduktion. Russland ist der weltgrößte Erdgas- und zweitgrößte Erdölexporteur.

Auf welchem Niveau ausländische Konzernchefs mit dem Kreml kommunizieren, machte ein Gespräch zwischen Putin und dem Shell-Chef Jeroen van der Veer am Rande des Wirtschaftsforums in St. Petersburg deutlich. Van der Veer fragte, wie denn nun die Spielregeln in Russland für Auslandsinvestoren seien. „Unsere Spielregel ist sehr einfach: Sie heißt Ehrlichkeit“, antwortete Putin. In einem Interview hatte Putin zuvor gesagt, es gehe darum, verbrecherische Vereinbarungen aus den 90er Jahren, die russische Beamte mit westlichen Rohstoffkonzernen geschlossen hätten, zu kassieren. „Russland hat im Laufe einer langen Zeitspanne zugelassen, dass seine Naturressourcen ausgebeutet werden und im Gegenzug nichts erhalten.“ Diese Zeit sei nun vorbei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2007)

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