Deripaska im Clinch mit Rumänien

Die Presse (Fabry)
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„Umweltbombe“. Gruppe des russischen Oligarchen verweigert Entsorgung von Abfällen.

WIEN. Der russische Oligarch Oleg Deripaska kann auch anders. Der Mitbesitzer des österreichischen Baukonzerns Strabag legt sich mit dem rumänischen Staat an: Er weigert sich, eine „Umweltbombe“ zu entschärfen. Stattdessen will er sie verkaufen.

Deripaskas Industriegruppe Basic Element hatte im Jahr 2000 die unmittelbar zuvor privatisierte Aluminiumfabrik Cemtrade in der westrumänischen Stadt Oradea (Großwardein) samt 780 Beschäftigten übernommen und mit leichten Modernisierungen weitergeführt. Was er bei Unterzeichnung des Privatisierungsvertrags nicht wusste: Das 1965 gegründete Werk gehört zu den ärgsten Dreckschleudern des Balkanlandes und hat als gefährlich eingestufte Abfallstoffe einfach vergraben. Die Behälter mit Oxiden und Soda-Derivaten werden laut der rumänischen Online-Nachrichtenagentur HotNews.ro in gemauerten Erdlöchern auf einer Fläche von 16,6 Hektar verwahrt. Das Gesamtgewicht der Abfälle betrage rund sechs Millionen Tonnen. Die Entsorgung würde 13 bis 15 Mio. Euro kosten, vor allem aber rund ein Jahrzehnt dauern, weil die fabrik-eigene Anlage nur 600.000 Tonnen pro Jahr verarbeiten könne.

Staat soll 90 Prozent zahlen

Cemtrade verlangt jetzt 90 Prozent des Betrags von der rumänischen Regierung, weil der Großteil der Verschmutzung aus der Zeit vor der Übernahme stamme. Die Behörden konzedieren zwar, dass der Abfall „historisch“ sei, verweigern aber jegliche Zahlung. Der Privatisierungsvertrag enthalte keine Umweltklausel, wird inoffiziell hinzugefügt.

Deripaska will jetzt den Abfall, statt ihn fachgerecht und teuer zu entsorgen, um den symbolischen Betrag von einem Euro verkaufen. Cemtrade-Direktor Wjatscheslaw Paraska bestätigte HotNews.ro, dass darüber verhandelt werde. Der potenzielle Abnehmer sei ein russischer Finanz- und Industriefonds, der enge Kontakte zur Militärindustrie habe, sagte Paraska.

Cemtrade gehört nicht gerade zu den Modellbetrieben. Die Energiekosten liegen um ein Drittel höher als bei moderneren Fabriken. Schon von 2002 bis 2004 hatte die Produktion geruht, weil die Aluminiumpreise verfallen waren. Aber dann schloss Cemtrade-Manager Iacov Itcov einen Mietvertrag mit den Russen und nahm den Betrieb wieder auf. Der Deal ist heuer ausgelaufen, jetzt muss Basic Element entscheiden, wie es weitergeht.

Goldbergwerk muss warten

Ein Umweltstreit ganz anderer Art wurde am Donnerstag vom rumänischen Umweltminister Attila Korodi vorübergehend entschieden: Er setzte das Genehmigungsverfahren für das Goldbergwerk Rosia Montans (Goldbach) in Siebenbürgen kurzerhand aus. Begründung: Eine soeben erteilte lokale Genehmigung sei „juristisch null und nichtig“. Damit wird das umstrittene Projekt, in das die kanadische Bergwerksgesellschaft Gabriel Resources nach eigenen Angaben bereits 200 Mio. Dollar (144 Mio. Euro) investiert hat, neuerlich vertagt. Umweltschützer bekämpfen es vor allem wegen des geplanten Einsatzes des hochgiftigen Zyanid zum Goldabbau.

Kampf um Öffentlichkeit

Der wichtigste Verbündete der Bergwerksgegner ist neben Umweltminister Korodi der Präsident des Bukarester Abgeordnetenhauses, Bogdan Olteanu. Dieser hatte erst am Mittwoch die Veröffentlichung aller Dokumente rund um das Projekt verlangt. Seinen Informationen nach, so Olteanu, enthalten die technische Dokumentation und die Produktionsgenehmigung der lokalen Behörden falsche Informationen.

Rund um RosiaMontana spielen sich immer wieder kuriose Dinge ab. So hat ein Ausschuss des Abgeordnetenhauses Anfang September einen Gesetzesentwurf zum Verbot des Zyanid-Einsatzes abgelehnt. Die Mehrheit der Mandatare wollte nicht gewusst haben, dass das Umweltministerium fürs Verbot eintrete. Korodi bezeichnete dies als „billige Ausrede“.

AUF EINEN BLICK

In Rumänien wurde Umweltschutz lange Zeit als Behinderung betrachtet. So lagern rund um die Aluminiumfabrik Cemtrade sechs Millionen Tonnen gefährliche Abfälle aus vier Jahrzehnten, deren Entsorgung der neue Besitzer Oleg Deripaska nicht finanzieren will. Er will, sollte der rumänische Staat nicht zahlen, das verseuchte Gebiet verkaufen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.09.2007)

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