Fico legt sich mit Handelsketten an

die Presse (Bruckberger)
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Slowakei. Der sozialdemokratische Premier will mit Preiskontrollen Teuerungen stoppen.

PRESSBURG. „Hühnerfleisch ist seit Jahresbeginn um 13 Prozent teurer geworden“, „Brot ist bereits gleich teuer wie in Österreich“, „Lebensmittelpreise lassen Inflation überraschend stark ansteigen“...– solche Zeitungsschlagzeilen haben jetzt dem slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico den stets volksnahen Kragen platzen lassen.

Die dominanten Einzelhandelsfirmen würden Preise künstlich in die Höhe treiben, um „unverschämte“ Gewinne zu machen, polterte er nach einem Parteitag seiner Linkspartei Smer-Sozialdemokratie: „Es ist doch nicht normal, dass die Marge der Handelsketten den größten Anteil am Preis verkaufter Waren ausmacht.“

Die zuletzt kräftigen Preiserhöhungen unter anderem bei Grundnahrungsmitteln könnten laut Fico die Einführung des Euro gefährden: „Hier geht es nicht nur unmittelbar um die Konsumenten, sondern auch um die Gesamtinteressen des Staates“, warnte er.

Österreicher bleiben daheim

Folgerichtig will die von ihm geführte Regierungspartei Smer (zu Deutsch „Richtung“) diesem „von manchen Handelsketten praktizierten Missbrauch ihrer wirtschaftlichen Macht“ Einhalt gebieten. Und zwar vor allem durch verstärkte Preiskontrollen. Ermöglichen soll das eine Novelle des bestehenden Handelsketten-Gesetzes, die die Partei demnächst ausarbeiten will. Nach Angriffen auf private Pensionsfonds und Krankenkassen und der mehrfachen Drohung mit der Wiedereinführung staatlicher Preisregulierungen für Benzin habe sich Fico somit offenbar einen neuen Reibebaum ausgesucht, mit dem monatelange Scharmützel programmiert seien, kommentierten die lokalen Medien nach Ficos Angriff.



„Einzelhandelsfirmen treiben manche Preise künstlich in die Höhe, um unverschämte Gewinne zu machen.“

Premier Robert Fico

Die Sympathien der Bevölkerungsmehrheit dürften Fico diesmal (anders als im Kampf gegen die Pensionsfonds) relativ sicher sein. Denn der öffentliche Unmut über Preissteigerungen ist tatsächlich groß. Längst sind auch die Zeiten vorbei, da Österreicher in Scharen nach Bratislava zu Hamsterkäufen pilgerten. „Die kommen jetzt nur mehr an Wochenenden, aber nicht wegen der Preise, sondern weil bei ihnen selbst dann die Geschäfte geschlossen sind“, zitierte jüngst die Tageszeitung Pravda den Marktforscher Lubomir Drahovsky.

Das Blatt erregte auch mit einem eigenen Einkaufsexperiment Aufsehen. Dabei wurde der gleiche Warenkorb an Grundnahrungsmitteln in Billa-Filialen in Österreich und der Slowakei erstanden. Während die statistischen Einkommen der österreichischen Konsumenten im Durchschnitt mehr als dreimal so hoch sind wie jene der slowakischen Kunden, ergab der Test nur geringfügige Preisunterschiede zwischen beiden Ländern. Billa kann das damit rechtfertigen, dass die Waren in beiden Ländern ähnliche Herkunft haben und damit– abgesehen von der Arbeitskraft– ähnliche Produktionskosten.

Jene Ketten, die, wie etwa Marktführer Tesco, weniger österreichische Produkte im Sortiment haben, kommen aber in der Slowakei auf annähernd das gleiche Preisniveau wie Billa. Aus der Konsumentenperspektive heißt das wiederum, dass ein slowakischer Durchschnittsverdiener für dieselbe Menge Brot, Zucker, Mehl oder Milch rund dreimal so lange arbeiten muss wie ein Österreicher. Gerade Riesen wie Tesco haben sich dabei in der Vergangenheit schon dafür Kritik eingehandelt, lokale Produzenten warfen ihnen auch schon Missbrauch ihrer Marktposition vor. So sollen sie Extra-Gebühren dafür verlangt haben, bestimmte Produkte besonders sichtbar in den Regalen zu platzieren oder in Aktionen einzubeziehen– auch wenn die Lieferanten das gar nicht wollten.

Auch Produzenten profitieren

Der Verband der Einzelhändler wehrt sich nun auch mit Hinweisen darauf, dass nicht nur die Händler am Preis beteiligt seien, sondern auch die Produzenten Gewinne machten, die hinterfragbar wären. So sei etwa der gesamte Biermarkt der Slowakei inzwischen nur mehr auf zwei (ausländische) Firmen aufgeteilt, die ganz gut verdienten, seit sie alle lokalen Brauereien geschluckt hätten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2007)

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