Wo landet Rumäniens Arbeitsheer?

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Hunderttausende Gastarbeiter in Italien könnten sich die Heimkehr überlegen.

WIEN. Zwischen den EU-Staaten Italien und Rumänien ist ein diplomatischer Krieg entbrannt, dessen Existenz beide bestreiten. Auslöser war die Ermordung einer Italienerin, die einem rumänischen Staatsbürger mit Roma-Abstammung angelastet wird.

Rumänien hat Italien soeben auf die Liste der unsicheren Staaten gesetzt – neben Costa Rica, Iran, Mexiko und Nachbar Bulgarien. Die Mitteilung steht auf der Website des Bukarester Außenministeriums neben dem römischen Erlass zur Ausweisung von Rumänen „mit unstetem Aufenthalt“.

Weist auch Spanien aus?

Diese Aktion, die auch von Spanien erwogen wird, wirft ein Schlaglicht auf die doppelte Problematik im südlichen Europa: Rumänien, das nach Polen zweitgrößte osteuropäische EU-Mitglied, hat die beiden sprachlich verwandten Länder Italien und Spanien mit Arbeitssuchenden überschwemmt.

Europa habe die Migration aus Rumänien schwer unterschätzt, sagte Italiens Ministerpräsident Romano Prodi dieser Tage der britischen Zeitung „Financial Times“. Laut italienischer Caritas kommen 556.000 der insgesamt 3,7 Millionen Einwanderer aus Rumänien. „Das sind eindeutige Übertreibungen“, sagte Prodi. Offiziell waren es zum Jahreswechsel 342.000.

In Spanien arbeiten nach der Madrider Statistik 463.000 rumänische Staatsbürger, was samt Familienangehörigen mehr als eine Million Menschen ausmacht. Die Zahl der in anderen EU-Ländern tätigen Rumänen ist verschwindend gering, nicht zuletzt wegen der aufrechten Beschränkungen.

Inzwischen setzt eine Art Wettbewerb um qualifizierte Rumänen ein. Spanien verspricht in einem Gesetzesentwurf für jedes rumänische Kind, das im Land geboren wird, eine Beihilfe von 2500 Euro und die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung für die Eltern.

Ungarn hebt mit 1. Jänner die letzten Restriktionen auf. Damit dürfte Budapest Angehörigen der ungarischen Minderheit in Siebenbürgen das Übersiedeln ermöglichen – Rumänen gehen in immer geringerer Zahl ins nordwestliche Nachbarland. Im Gegenteil: Hin und wieder kommt es sogar vor, dass sich Ungarn in Rumänien als Gastarbeiter verdingen.

Bukarest mit neuer Strategie

Die Bukarester Regierung lockt im Westen werkende Landsleute mit Steuervergünstigungen. Soeben kündigte Arbeitsminister Paul Pacuraru eine neue Strategie an. Gastarbeiter werden zwei Jahre lang von der Einkommenssteuer und der Krankenversicherung befreit. Außerdem wird erwogen, ihnen die Reisekosten zu ersetzen.

Grund für die großzügigen Zuwendungen ist das gewaltige Loch, das die Migration in den rumänischen Arbeitsmarkt gerissen hat. Die Arbeitslosigkeit ist auf 4,1 Prozent gesunken, die niedrigste Rate seit 1992. Laut Bukarester Kabinett würden 500.000 zusätzliche Facharbeiter benötigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2007)

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