„Der Ölpreis sinkt auf 30 Dollar“

Spekulation. Auf den internationalen Finanzmärkten hat sich eine riesige Spekulationsblase aufgebaut, die schon im kommenden März platzen und den Ölpreis in den Keller schicken könnte, meinen internationale Analysten.

Wien/London (ju/Bloomberg).Statt, wie bisher befürchtet, in lichte Höhen jenseits der 100-Dollar-Marke zu steigen, könnte der Ölpreis demnächst dramatisch absacken: Auf den internationalen Finanzmärkten hat sich eine riesige Öl-Spekulationsblase aufgebaut, die demnächst platzen dürfte. Die Analysten von Sanford C. Bernstein in London rechnen jedenfalls damit, dass die Ölnotierungen noch im März um fast 30 Prozent auf 40 Dollar pro Barrel (je 159 Liter) absacken könnten. Ende März könnte der Preis für das Schwarze Gold den Prognosen zufolge nur noch bei 30 Dollar liegen.

Dorthin ist es allerdings noch ein weiter Weg. Zum Wochenschluss hatten die Notierungen für Opec-Öl auf knapp 53 Dollar nachgegeben, teureres US-Öl war zu 58 Dollar gehandelt worden.

Mit ihrer Prognose stehen die Londoner Analysten nicht allein da: Auch die Royal Bank of Scotland geht von einem deutlichen sinkenden Ölpreis aus. Deren Analyst Thorsten Fischer ist nicht ganz so radikal wie seine Londoner Kollegen: Er erwartet, dass der Preis für ein Barrel im Laufe des Jahres auf 45 Dollar absinkt.

Volle Lager zu hohen Kosten

Den Grund für den Preisverfall liefert nicht das Erdölkartell Opec, sondern die Finanzwelt: In Erwartung starker Ölpreissteigerungen wurden Milliarden in Rohstofffonds und Ölterminkontrakte investiert. Diese Kontrakte sind mit gelagertem Erdöl „unterlegt“ (im Extremfall müsste das Öl ja physisch geliefert werden) – und verursachen so hohe Lagerkosten. Die nur vertretbar sind, wenn der Ölpreis steigt. Das tut er aber nicht. Unter anderem, weil der milde Winter in den Industriestaaten (auch in den USA war es vor dem Wintereinbruch Ende Jänner mild) den Heizölkonsum zurück gehen lässt.

Die Lagerkosten haben die Investoren in Öl-Futures nun in eine sogenannte „Contango“-Situation gebracht: Die Preise auf dem Tagesmarkt liegen jetzt unter jenen der Termingeschäfte (etwa für Lieferungen in einem Vierteljahr). Das ist nur eine begrenzte Zeit lang durchzuhalten. Die Analysten von Sanford C. Bernstein glauben, dass die Schmerzgrenze im März erreicht sein wird. Dann werden Spekulanten gezwungen, in großem Stil Öl auf den Markt zu werfen – was den Preis ruinieren muss.

Die Situation ist für die Spekulanten deshalb prekär, weil die Produktion der Opec trotz schwächerer Nachfrage auf vollen Touren läuft, das gelagerte „Spekulations-Öl“ vom Markt derzeit eigentlich nicht benötigt wird. Spätestens im März müsste das größte Opec-Ölförderland, Saudiarabien, seine Produktion deutlich unter acht Mio. Barrel pro Tag drosseln, um ein Platzen der Spekulationsblase zu verhindern.

Allerdings: Selbst wenn die Saudis stark drosseln, bedeute das noch keine Preis-Stabilisierung: Das würde nur den Anreiz für andere Förderländer erhöhen, die Lücke zu füllen. Es sei also jedenfalls mit einer Verkaufswelle zu rechnen. „Die Spekulationsblase wird bald platzen“, sind die Londoner Analysten überzeugt. Daten über das Gesamtvolumen der Öl-Future-Kontrakte sind nicht verfügbar, das Volumen der Rohstoffspekulation ist in den vergangenen Jahren aber regelrecht explodiert. Ein Beispiel: Im Goldman Sachs Commodity Index waren 2003 rund 15 Mrd. Dollar investiert. Jetzt, drei Jahre später, sind es 70 Mrd. Dollar.

Goldman Sachs zweifelt

Allerdings: Es gibt internationale Experten, die nicht auf einen längeren Einbruch der Ölpreise setzen: Goldman Sachs etwa geht von einem Anstieg der Ölfuture-Notierungen auf 71,50 Euro aus. Der Grund: Die Ölförderländer investieren zu wenig in die Förderung, was Öl verknappen könnte.

Inline Flex[Faktbox] VERSPEKULIERT: Ölpreis vor dem Absturz?("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2007)

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