„Nicht länger Miete zahlen“: US-Immobilien-Blase platzt

Zwei Mio. Familien drohen ihr auf Pump gekauftes Haus zu verlieren, weil sie den Kredit nicht zahlen können.

Washington. Zuerst erwischte es ein, zwei Dutzend kleinere Hypothekenfirmen. Dann musste New Century, Branchenriese für Kredite an Hauskäufer mit schlechter Bonität, Insolvenz beantragen. Und nun hat die Immobiliengesellschaft American Home eine Gewinnwarnung abgegeben.

Der amerikanische Traum vom Eigenheim droht wie ein Kartenhaus einzustürzen. Zwei Mio. Familien drohen ihr Heim zu verlieren. Mit der Zwangsversteigerung endet nun oft, was mit einem billigen Kredit, ohne Anzahlung, ohne Besicherung, mit variablen Zinsen begann.

Vor Jahren war die Welt noch heil. Die Preise für Häuser stiegen und stiegen, und das Geschäft mit den billigen Hypotheken florierte. „Nicht länger Miete zahlen!“, warb etwa ein Inserat im „Tiempo Latino“, einer Washingtoner Zeitung für spanisch sprechende Einwanderer. Oder: „Schlechter Kredit, gar kein Kredit, bankrott oder im Rückstand mit deinen Zahlungen? Spielt keine Rolle!“ Denn: „Wir gewähren Hypotheken ohne Anzahlung, ohne Dokumentation und zu 100 Prozent.“

Gefahr durch steigende Zinsen

Diese und ähnliche Sprüche machten vor allem Bürger aus unteren Schichten, die oft nicht die Ausbildung haben, um solche Praktiken zu durchschauen, zu Hausbesitzern. So etwa Simeon Ferguson, ein 85-jähriger Rentner aus Brooklyn, der an Demenz leidet, wie die „New York Times“ berichtet. Er hatte keine Ahnung, was er unterschrieb – jetzt verliert er sein Haus.

Als die Immobilienpreise rapid fielen und gleichzeitig die Zinsen nach oben gingen, begann der Teufelskreis. Viele Hausbesitzer können ihre sogenannten „Subprime-Hypotheken“ nicht mehr bedienen, zumal auch die Sätze für Verzugszinsen stiegen. Viele Hausbesitzer gaben k.o. und überließen ihr Eigenheim dem Kreditgeber. Da das Haus aber oft weniger wert ist als die Schulden, kamen auch die Immobilienfirmen in Schieflage: ein Dominoeffekt.

Statt einmal pro Monat finden jetzt in vielen Kleinstädten jede Woche Versteigerungen statt. In Mississippi und Louisiana ist jeder zehnte Hausbesitzer mit seinen Zahlungen im Verzug. In Detroit, wo hunderttausende Automobil-Arbeiter ihre Stelle verloren haben, gehen die Häuser für wenige tausend Dollar weg – weniger, als ein Auto kostet.

Gespaltenes Amerika

Die „Washington Post“ sieht zwei verschiedene Nationen („A Tale of Two Americas“): Das reiche Amerika – namentlich die Wallstreet – profitiert, weil sie jetzt Hypotheken aufkauft, umstrukturiert und weiterverkauft. Hingegen wird das andere Amerika – Angehörige unterer Schichten und Bewohner vergessener Regionen – unter der Last zu teurer Hypotheken in den Ruin getrieben.

Und schon wittern einige Firmen und Anwaltskanzleien, die wenig Skrupel haben, ihr Geschäft: Sie bieten Dienstleistungen an, die überschuldete Häuser angeblich retten können. „Wir kaufen Ihr Haus, ganz gleich, in welchem Zustand es ist“, heißt es in einschlägigen Inseraten. Erst im Kleingedruckten steht, dass die Dienstleistung etwas kostet – eine Voraus-Gebühr von 1500Dollar etwa, die nicht rückerstattet wird.

Am meisten profitieren von den Zwangsversteigerungen nicht die Wallstreet-Banken, sondern kleinere Firmen. Eine Internet-Firma informiert über bevorstehende Versteigerungen und bietet Seminare, in denen Investoren lernen, wie sie von Zwangsversteigerungen profitieren können. Und die Spirale dreht sich wieder weiter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2007)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.