USA: Das große Geschäft mit den Illegalen

Zwölf Millionen illegale Einwanderer sorgen für frisches Gemüse im Supermarkt-Regal, gepflegte Gärten in den Vororten, bauen Häuser und Autos. Doch das Einwanderungsgesetz soll verschärft werden.

Washington. Illegale Einwanderer sind in den USA ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, denn sie zählen an die zwölf Millionen. Vor allem die Auto- und Immobilienbranche ist auf die „Undokumentierten“ (vornehmlich aus Lateinamerika) angewiesen. Gleichzeitig nimmt die staatliche Repression zu.

Jüngst lancierte die Bank of America eine Kreditkarte für illegale Einwanderer. Die Karte ist Kunden zugänglich, die keine US-Dokumente haben. Bedingung ist nur, dass sie drei Monate lang ein Konto geführt und nicht überzogen haben. Jetzt entdecken auch die Versicherungen das Geschäft mit den Illegalen. In mehreren Bundesstaaten verkaufen sie Haftpflicht- und Kaskoversicherungen an Autofahrer, die keinen Führerschein haben.

Polizze, aber kein Führerschein

Denn Kalifornien und andere Staaten verweigern Ausländern, die keine Green Card oder ein gültiges Visum haben, den Führerschein. In vielen Staaten ist es jedoch legal, Autofahrern, die keinen Führerschein haben, eine Polizze zu verkaufen. „Arnold will dir keinen Führerschein geben, aber ich verkaufe dir eine Polizze“, lautet der Slogan, mit dem ein kalifornischer Versicherungsagent im Radio wirbt. Gemeint ist der österreichische Einwanderer und nunmehrige Gouverneur Arnold Schwarzenegger.

„Als wir entdeckten, dass dies legal ist, erschlossen wir so rasch als möglich den neuen Markt“, meinte der Präsident einer US-Versicherungsgesellschaft gegenüber dem „Wall Street Journal“. Statt US-Dokumenten akzeptieren diese Versicherungen mexikanische und andere Pässe. Die Prämien auf diesen Versicherungen sind jedoch oft höher als bei anderen Polizzen. Zudem melden die Versicherten aus Angst, mit der Polizei in Kontakt zu kommen, kleinere Schäden oft gar nicht an.

Das Geschäft ist deshalb für die Versicherungsgesellschaften lukrativ. „Unsere Renditen sind sehr erfreulich“, sagt ein Agent. Doch viele Einwanderer sind daran interessiert, eine Versicherung zu haben. Denn dies gibt ihnen ein Gefühl der Legalität. „Ich fühle mich wohler, wenn ich weiß, dass ich versichert bin“, sagt ein Einwanderer aus Mexiko, der seit 32 Jahren in den USA arbeitet, aber immer noch keine Green Card hat. Pro Monat zahlt er für seinen Honda Civic 127 Dollar Prämie.

Latinos zahlen mehr für Autos

Beispiele wie dieses zeigen, wie die Kaufkraft der zwölf Millionen illegalen Einwanderer Wirtschaft und Politik der USA in oft paradoxer Weise beeinflussen. Die Autohändler zum Beispiel werben um den hispanischen Markt aggressiv. In den spanischsprachigen Zeitungen ist der Autoteil immer der dickste. Denn die hispanischen Kunden zahlen für ihre Autokredite höhere Zinsen – wenn auch etwas weniger hohe als die schwarzen Amerikaner. Und auch die Hypothekarbanken haben von den Einwanderern massiv profitiert. Ein großer Teil dieser Hypotheken, die jetzt reihum in Verzug geraten, gingen an hispanische Familien.

Doch gleichzeitig nimmt in den USA die Repression zu. Seit Februar hat die im Jahr 2003 neu formierte Einwanderungsbehörde ICE (Immigration and Customs Enforcement) immer mehr Razzien gestartet, nicht nur in den Fabriken, die illegale Einwanderer beschäftigen, sondern auch auf der Straße und in Häusern.

Return to Sender

Die Operation erhielt übrigens den Namen eines alten Elvis Songs: „Return to Sender.“ Die Behörde will sich angeblich vorerst auf kriminelle Einwanderer konzentrieren. Doch ins Netz geraten oft auch andere Einwanderer, die sich zufällig in der Nähe befinden.

Ein Drittel der 18.000 illegalen Einwanderer, die seit Ende Februar verhaftet worden sind, sind Zufallstreffer. Diese Razzien führen dazu, dass Familien zerrissen werden. Viele illegale Einwanderer haben zu Hause Kinder, die US-Bürger sind. Schließlich wird jedes Kind automatisch US-Bürger, das in Amerika geboren wird.

Bei einer Razzia in einer Fabrik in Massachusetts wurden 350 Einwanderer verhaftet. Etwa 200 Kinder blieben ohne Vater oder Mutter zurück. Bis zum endgültigen Abschiebungsurteil werden Mütter und Väter in ein Lager gesteckt. In welches Lager, wird Kinder und Verwandten oft nicht gesagt. „Dies ist ein Schreckensregime“, sagt eine Mutter einer Lokalzeitung in Washington. „Wir haben Angst. Wir wagen es kaum mehr, das Haus zu verlassen, aus Angst, dass wir verhaftet und von unseren Kindern getrennt werden“.

12 MILLIONEN ILLEGALE

In den USA soll ein neues, strengeres Einwanderungsgesetz beschlossen werden. Demnach sollen nur noch hoch qualifizierte Arbeitskräfte eine Arbeitserlaubnis erhalten.

Die Wirtschaft ist von den zwölf Mio. Illegalen – großteils aus Lateinamerika, v.a. Mexiko – abhängig. Sie erledigen Arbeiten, die US-Bürger nicht verrichten.

Seit Februar gibt es auch Razzien gegen illegale Einwanderer. Sie werden abgeschoben, obwohl ihre Kinder längst US-Bürger sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2007)

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