Kanada: Die dunkle Seite des Ölsandreichtums

(c) AP (Jeff McIntosh)
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Naturschützer wollen Pause für Teersand-Ausbeutung, Regierung denkt nicht daran.

Ottawa. Für Umweltschützer ist der Ölsand, aus dem Kanada täglich eine Million Barrel Öl presst, eine schmutzige Energiequelle. In den klimaschädigenden Treibhausgasen, die von dieser Industrie ausgehen, und der Zerstörung von Naturlandschaft sehen sie „die dunkle Seite“ von Kanadas Ölreichtum. Sie fordern einen vorläufigen Ausbaustopp für die Ölsandindustrie, während die Regierung das Land als „Energie-Supermacht“ anpreist und die Ölprovinz Alberta auf Expansion setzt.

Im Sand Nord-Albertas liegen 174 Mrd. Barrel Öl, die wirtschaftlich abgebaut werden können. Über 80.000 Quadratkilometer – fast ein Viertel der Fläche Deutschlands – erstreckt sich das Ölsandgebiet, in dem internationale Konzerne an mehr als 20 Stellen Öl produzieren. Ölsand ist eine Mischung von Bitumen und Sand. Das zähflüssige Bitumen wird in einem energieintensiven Prozess aus dem Sand gelöst: Dabei wird das Bitumen im Boden durch heißen Dampf verflüssigt und abgesaugt. Nach den Plänen der Industrie sollen 2020 täglich bis zu vier Mio. Barrel gewonnen werden.

WWF will Moratorium

Jahrelang konnte die Ölsandindustrie ohne nennenswerten Widerstand expandieren. Nun wird der Ruf nach einem Moratorium lauter. „Wenn die Bewohner Albertas über das Gebiet fliegen und die Verwüstung sehen würden, wären sie entsetzt“, meint Joyce Hildebrand von der Alberta Wilderness Association. „Eine graue Landschaft mit Bergen öliger Abfälle und toxischen Klärschlammteichen wenige Meter vom Athabasca-Fluss entfernt.“

Der WWF verlangt ein Moratorium, bis Strategien zur Senkung der CO2-Emission vorliegen. Für den WWF hatte das britische Tyndall-Zentrum eine Studie erstellt, wonach die Ausweitung der Ölsandindustrie ein maßgeblicher Grund ist, weshalb Kanada sein Kyoto-Ziel nicht erreicht und als „unrealistisch“ aufgegeben hat. Kanada will jetzt „Intensitätsziele“ einführen, die den Ausstoß von Treibhausgasen pro Produktionseinheit verringern. Da es aber keine Produktionsgrenzen gibt, befürchten Umweltschützer Schlimmes: Der Tyndall-Studie zufolge werden sich bis 2012 die Emissionen aus der Ölsandförderung verdoppeln, während sie eigentlich halbiert werden müssten.

Umweltschützer kritisieren, dass „sauberes“ Erdgas für die Gewinnung von „schmutzigem“ Öl aus Teersand verwendet wird. Die Teersandindustrie verbraucht laut dem „Natural Resources Defense Council“ der USA täglich so viel Erdgas, wie für die Beheizung von vier Millionen Haushalten in den USA nötig ist.

Die Kritik richtet sich nicht nur gegen den CO2-Ausstoß. Um ein Barrel Öl zu gewinnen, benötigt man laut WWF zwei bis viereinhalb Barrel Wasser aus dem Athabasca. Obwohl 90 Prozent des Wassers recycelt werde, drohe der Wasserspiegel stark zu sinken.

Kommunen in der Region sorgen sich um die Gesundheit ihrer Bewohner. Als einem Arzt die hohe Zahl von Krebserkrankungen in Fort Chipewyan auffiel, hatte die Regierung schnell eine Studie zur Hand, um ihn zu widerlegen.

Für die Ölförderung gelten „Weltklasse-Umweltgesetze“, entgegnet Greg Stringham, Vizepräsident des Industrieverbands CAPP. „Wir arbeiten an neuen Technologien und werden unsere Umweltbilanz weiter verbessern, weil wir wissen, dass die Ressourcen so groß sind, dass sie mehr als 100 Jahre zur Verfügung stehen.“ Die Wasserentnahme aus dem Athabasca sei reguliert und die CO2-Intensität reduziert worden.

Geld für ärmere Provinzen

Albertas Premier Ed Stelmach weist die Rede vom „schmutzigen Öl“ zurück. Seine Regierung habe als erste Provinzregierung Grenzwerte für CO2-Emissionen erlassen. Und jeder Kanadier müsse Interesse haben, dass die Ölindustrie floriert: Alberta zahle jährlich hunderte Mio. Dollar in den Finanzausgleich für ärmere Provinzen.

STREIT UM ÖLSAND

In Alberta (Kanada) wird auf 80.000 Quadratkilometern Ölsand abgebaut. Umweltschützer kritisieren den CO2-Ausstoß und die Zerstörung der Flüsse.

Die Regierung weist die Kritik zurück und verweist auf den Nutzen für die Wirtschaft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2007)

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