Aufschwung: Deutscher Kapitalismus, stark wie nie

Das Krankjammern ist zu Ende, Europas Wirtschaftsmacht feiert ihr Comeback.

Berlin. Die Wirtschaftslokomotive Deutschland hatte geächzt und gestottert, nichts schien mehr zu gehen. Aber nun rollt sie wieder, zur Überraschung und aller linken Kritik am Kapitalismus zum Trotz, und sie rollt beinahe so stark wie zu ihren Glanzzeiten.

Die „Financial Times“ spricht schon von einem „neuen Wirtschaftswunder“, an dem sich Frankreich oder Italien ein Vorbild nehmen könnten. Wirtschaftsforscher überbieten sich in ihren Prognosen und sehen momentan kein Ende des Aufschwungs, der nur durch Unwägbarkeiten wie Euro-Kurs oder Ölpreis getrübt werden könnte.

Die Eckdaten sprechen für sich: Das Wirtschaftswachstum nähert sich der Drei-Prozent-Marke. Mittlerweile trägt sogar der zuletzt so stockende private Konsum zu einem Gutteil des Aufschwungs bei, analysiert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung. Dies gehe auch auf die Lohnsteigerungen zurück. Der Konjunkturmotor brummt wie seit den 90er-Jahren nicht mehr, die Steuereinnahmen sprudeln in so ungeahntem Ausmaß, dass der Haushalt womöglich bereits 2008 ohne neue Schulden auskommt.

2007 halbe Million neue Jobs

Die Arbeitslosigkeit (zuletzt 3,7 Mio. Arbeitslose) geht stark zurück, allein heuer soll eine halbe Million Jobs geschaffen werden. Die Wirtschaft klagt bereits über einen Mangel an Fachkräften. Für Langzeitarbeitslose sind die Aussichten aber nach wie vor trübe.

Gerade zwei Jahre ist es her, dass Deutschland am Boden lag. Nach dem Antritt der großen Koalition im Spätherbst 2005 begannen aber die Reformen der abgewählten rot-grünen Regierung zu greifen. Die gegen massiven Widerstand durchgepeitschte Arbeitsmarktreform entfaltete Wirkung, im WM-Sommer 2006 hellte sich die Stimmung auf, die weltweite Konjunktur half auch Deutschland auf die Sprünge, Investitionen und moderate Lohnpolitik taten ein Übriges.

Führende Ökonomen wie der „Wirtschaftsweise“ Bert Rürup resümieren, die Regierung Merkel habe den Aufschwung jedenfalls nicht behindert. „Die Politik hat in den vergangenen Jahren nicht alles falsch gemacht“, ätzt sein Kollege Wolfgang Franz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2007)

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