US-Krise: Geldspritze für Europas Banken

(c) AP (Bernd Kammerer)
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Auch in Europa werden Kredite knapp. Die Europäische Zentralbank greift zu Sondermaßnahmen.

Wien (ps/cjd).In einem außergewöhnlichen Schritt hat die Europäische Zentralbank am Donnerstag 49 Banken Europas fast 100 Mrd. Euro an Kapital zur Verfügung gestellt. Zuvor hatte die von den USA ausgehende Kreditknappheit auch zu einer Kapitalverknappung in Europa geführt.

Die US-Immobilienkrise wird auch für Europas Finanzwelt zusehends zum Problem. Weil kaum absehbar ist, welche Banken in Europa von den Kredit-Turbulenzen betroffen sind, gewähren die Banken einander nur noch eingeschränkt Kredit. Am Donnerstag gaben die französische Großbank BNP Paribas und die deutsche WestLB zu, dass auch sie sich am US-Immobilienmarkt verspekuliert hätten. Die BNP Paribas schloss drei Fonds, deren Wert vor kurzem noch auf 1,6 Mrd. Euro taxiert worden war. Existenzbedrohende Probleme wie die deutsche IKB Bank haben die beiden Institute aber nicht.

Kredit ohne Limit für EU-Banken

Banken, die Kredite benötigen, mussten zuletzt für Tagesgeld bis zu 4,70 Prozent bezahlen. Das ist deutlich mehr als der Leitzinssatz von vier Prozent in der Eurozone vorsieht. Die Europäische Zentralbank hat daher Donnerstagfrüh den betroffenen Banken in einem überraschenden „Schnell-Tender“ unbeschränkten Kredit zu einem Zinssatz von vier Prozent eingeräumt.

49 Banken nahmen von dem Angebot Gebrauch und erhielten von der Notenbank insgesamt 94,8 Mrd. Euro an Kapital. Das Signal, das die EZB damit setzten wollte, ist klar: In Europa gibt es genug Geld und daher keine Kreditkrise.

Wurzel des Übels – USA

Verantwortlich für das Chaos im europäischen Bankensektor ist das Gespenst „US-Hypotheken-Krise“. Amerikanische Häuselbauer, die den gesamten europäischen Bankensektor in Unruhe bringen, wie ist das möglich? Das Zauberwort im Finanz-Fachjargon ist Collateral Debt Obligations (CDOs). CDOs erlauben es Banken, Forderungen gegen Private und Unternehmer zu Bündeln zu schnüren. Die Banken verkaufen die gebündelten Forderungen – gereiht nach Bonität, Risiko oder Fälligkeit – dann an Investoren weiter. Investoren beteiligen sich in Form von handelbaren Wertpapieren – sogenannten Asset Backed Securities (ABS). Wörtlich übersetzt: durch Vermögenswerte besicherte Wertpapiere.

Ein „gutes“ Geschäft

Und die europäischen Investoren – viele von ihnen Banken, wie sich jetzt zeigt – standen Schlange. Weil es ein gutes Geschäft war. So lange die amerikanischen Kreditnehmer ihre hochverzinsten Forderungen brav zurückzahlten.

Jetzt, nachdem mehr als 50 Hypotheken-Institute ihr Geschäft aufgegeben mussten – eben weil die Amerikaner aufgrund sinkender Häuserpreise und steigender Zinsen nicht weiter zahlen können –, sieht das Geschäft keineswegs mehr gut aus. Die vermeintlichen Vermögenswerte, die US-Immobilien, lassen sich nicht so leicht wie geplant zu Geld machen. Fremdkapital zum Kauf der Häuser ist am Markt kaum mehr vorhanden. Potenzielle Käufer für die Häuser fehlen somit. Und: Experten gehen davon aus, dass der Markt für amerikanische Immobilien weiter wegbrechen wird. Einige ABS-Wertpapiere, investiert im amerikanischen Markt, haben daher bereits mehr als drei Viertel ihres Wertes eingebüßt.

Bankaktien auf Talfahrt

Europäischen Banken, die über Fonds in der amerikanischen Immobilien Bonanza investiert waren, häufen nun riesige Verluste. Und importieren die US-Krise nach Kontinentaleuropa. Die deutschen Institute IKB und WestLB sowie die französische BNP Paribas sind wahrscheinlich nur die Spitze eines Eisberges. Die Nervosität der europäischen Anleger steigt dementsprechend. Sie schickten am Donnerstag erneut Bankaktien auf Talfahrt.

EZB GEWÄHRT KREDIT

Kredite sind nicht nur in den USA knapp, sondern auch in Europa geben die Banken einander immer weniger Darlehen. Um die Finanzmärkte zu beruhigen, ist nun die Europäische Zentralbank (EZB) eingesprungen und hat 49 europäischen Banken in einer Blitzaktion knapp 100 Mrd. Euro an Kredit gewährt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2007)

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