Wirtschaftspolitik von Chávez bringt Rekordteuerung

(c) AP (Fernando Llano)
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Venezuela. Lebensmittel werden wegen Preiskontrollen knapp.

CARACAS/WIEN (Bloomberg/go). Während Venezuelas Präsident Hugo Chávez um Milliardenbeträge argentinische Staatsanleihen kauft, öffentlichkeitswirksam billiges Heizöl an arme US-Bürger verteilen lässt und erst unlängst umgerechnet rund 25 Mio. Euro für verbilligte Busfahrkarten an Londons linke Stadtregierung überwies, beginnen die Venezolaner die negativen Folgen von sieben Jahren „bolivarischer Revolution“ zu spüren.

So ist die Inflation mit 16 Prozent die höchste in ganz Lateinamerika, weil Chávez die Staatsausgaben binnen vier Jahren verdreifacht hat. Der Bolivar, die nationale Währung, ist allein heuer im Vergleich zum Dollar um 30 Prozent auf 4,85 Bolivar pro Dollar gefallen. Allerdings nur auf dem Schwarzmarkt. Offiziell ist die Währung doppelt so viel wert.



„Das ist der schlechtest geplante Ölboom in Venezuelas Geschichte.“

Ricardo Hausmann, früherer Planungsminister und heute Wirtschaftsprofessor in Harvard.

Bloß entspricht dieser durch strenge Vorschriften über den Besitz von Fremdwährungen erzielte Kurs nicht der wirtschaftlichen Wirklichkeit. Die Venezolaner fliehen in Massen aus ihrer Währung.

Geldwechsel im Kasino

Und weil sie das offiziell nicht dürfen, schlüpfen sie durch Gesetzeslücken. Das zeitigt skurrile Folgen. Pro Jahr dürfen Venezolaner 5000 Dollar per Kreditkarte im Ausland ausgeben. Deshalb reisen einige auf die nahe gelegene Karibikinsel Curaçao, kaufen in den dortigen Kasinos auf Kreditkarte 5000 Dollar an Pokerchips, tauschen diese sofort gegen bare Dollar und verkaufen diese wiederum in der Heimat am Schwarzmarkt.

Auch in Chávez' Regierung ist die Einsicht gewachsen, dass der Bolivar real weniger wert ist als offiziell. Darum erwarten Investmentbanken wie J.P. Morgan und Merrill Lynch unisono eine Abwertung um 14 Prozent im ersten Quartal 2008. Denn mit 1. Jänner wird der 53-jährige frühere Offizier Chávez eine neue Währung einführen und drei Nullen von all deren Denominationen streichen lassen. Allerdings sagt Finanzminister Rodrigo Cabezas, dass dieser „neue Bolivar“ ebenso den Kurs von 2,15 zum Dollar haben werde wie der jetzige „alte“.

Keine Milch im Supermarkt

Eine Abwertung würde der Regierung mehr Bolivar aus ihren Ölexporten verschaffen, die 90 Prozent der venezolanischen Volkswirtschaft und rund die Hälfte der Staatseinnahmen ausmachen. Allerdings bekämen die Bürger dann noch weniger Gegenwert für ihr Geld. Zumal Knappheit ohnehin schon zu einer täglichen Erfahrung wird.

Güter wie Milch, Huhn, Kaffee und Mehl sind bereits mehrmals aus den Supermarktregalen in der Hauptstadt Caracas verschwunden, weil die venezolanischen Produzenten sich weigerten, zu staatlich regulierten Preisen zu verkaufen, die unter den Herstellungskosten liegen. „Es ist so, als wäre Chávez unser Produktionsleiter, Marketingleiter und Verkaufsleiter“, sagt Edgar Contreras vom Lebensmittelhersteller Molinos Nacionales und nennt die verordneten Preise „reine Fantasie.“

CHÁVEZ: Probleme

Venezuelas populistischer Präsident finanziert dank hoher Ölpreise viele Sozialprogramme.

Ob das die Armut senkt, ist fraglich: Laut Venezuelas Notenbank ist die soziale Ungleichheit – konkret: der „Gini-Koeffizent“ – zwischen 2000 und 2005 gestiegen (von 0,44 auf 0,48).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2007)

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