EU-Regierungen machen gegen hohen Euro mobil

(c) APA (Barbara Gindl)
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Druck auf EZB. Wirtschaft warnt: Schmerzgrenze sei erreicht.

WIEN. Nun brechen die Dämme. Nachdem sich die meisten EU-Regierungen lange mit Forderungen zur Währungspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) zurückgehalten haben, wächst nun der Druck auf eine moderatere Zinspolitik. „Ich bin beunruhigt“, sagte der italienische Premierminister Romano Prodi. Gemeinsam mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel will er nun alles unternehmen, den Euro-Kurs wieder auf ein für die Exportwirtschaft erträgliches Maß zu senken.

Die Welle der Unzufriedenheit hat auch Österreich erreicht: „Die Schmerzgrenze für die Exportwirtschaft ist erreicht“, warnt gegenüber der „Presse“ nun auch Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl. Leidtragende seien in Österreich vor allem Klein- und Mittelbetriebe, die in Nischensektoren in den Dollar-Raum liefern. Auch der Wirtschaftsverband BusinessEurope erklärte in einem Schreiben an den Luxemburger Regierungschef Jean-Claude Juncker, der Euro-Höhenflug beginne, den europäischen Wirtschaftsinteressen zu schaden.

Die EU-Regierungen wollen nun in erster Linie den Druck auf die US-Währungspolitik erhöhen. Juncker, der auch als Vorsitzender der Euro-Gruppe fungiert, appellierte an Washington, „den Absichtserklärungen zugunsten eines starken Dollar mehr Taten folgen zu lassen“. Doch auch der Druck auf die EZB steigt, ihren Spielraum für eine Euro-Senkung auszunutzen. Brüsseler Experten warnen vor einer spürbaren Abschwächung der Konjunktur, sollte der Euro-Höhenflug nicht gebremst werden.

Merkel im Dilemma

Vor allem die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel kommt durch die Euro-Entwicklung in ein Dilemma. Sie hat sich bis zuletzt vehement gegen Forderungen des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy gestellt, der einen stärkeren politischen Einfluss auf die EZB verlangt hatte. Sarkozy fordert seit Wochen von der Zentralbank Zinsensenkungen und Deviseninterventionen. Die EZB-Führung wollte die Zinsen aber eher erhöhen als senken, um die Inflation gering zu halten.

Um künftig mehr Einfluss auf die Währungspolitik zu bekommen, möchte der französische Präsident nun im neuen EU-Vertrag durchsetzen, dass die EZB mit allen anderen EU-Institutionen gleichgesetzt wird. In Berlin wurde das bisher kritisch gesehen, da damit auch die Unabhängigkeit und der bisherige Hartwährungskurs aufgeweicht werden könnten.

LEXIKON

Der Leitzins ist die schärfste Waffe der EZB. Damit kann sie die Lebenshaltungskosten der mehr als 300 Millionen Einwohner des Euro-Raums ebenso beeinflussen wie das Wachstum. Mit dem Leitzins gibt die EZB den Banken vor, zu welchem Preis sie sich Geld von ihr leihen können. Steigt der Zinssatz, verteuern sich Darlehen für Unternehmer und Verbraucher.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2007)

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