Stiftungen: „Unternehmen werden zu Tode verwaltet“

Die Presse (Bruckberger)
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Experte warnt: Industriebetrieben in Stiftungen droht die „Erstarrung“.

wien (ju.).Martin Unger, Geschäftsführer des Strategieberatungsunternehmens Contrast Management Consulting und ausgewiesener Stiftungsexperte, hat eine wenig erbauliche Vision: „Wenn wir nicht aufpassen, kann es passieren, dass wichtige Teile der österreichischen Großindustrie mittelfristig zu Tode verwaltet werden“.

Der Grund für die düstere Prophezeiung: 80 der 100 größten österreichischen Unternehmen sind bereits in den insgesamt 3002 Provatstiftungen des Landes geparkt. Und dort übernehmen zunehmend Wirtschaftstreuhänder, Notare und Anwälte das Kommando, die das eingebrachte Vermögen zwar sehr gut verwalten, aber eher risikoavers und damit wenig unternehmerisch agieren. Wenn nicht gegengesteuert wird, drohe eine „Erstarrung“, meint Unger im Gespräch mit der „Presse“.

Derzeit ist die Sache noch unter Kontrolle, weil es das Instrument der Privatstiftung in Österreich erst 15 Jahre gibt und deshalb noch die Stiftergeneration am Werk ist. Die Konstruktion sieht in der Regel so aus, dass der Stifter befreundete Anwälte und Wirtschaftstreuhänder in den Stiftungsvorstand holt und innerhalb dieses Netzwerks das nur de iure seinem Eingriff entzogene Unternehmen so weiterführt wie bisher.

Kein Zugriff für Erben

Haarig wird es wenn, wenn der Stifter stirbt. Denn die meisten Stiftungsurkunden sind laut Unger so abgefasst, dass die folgenden Generationen keinen Zugriff mehr auf das Unternehmen haben. Das Unternehmen ist den Erben damit auf die Dauer von 99 Jahren (für diesen Zeitraum sind Stiftungen normalerweise eingerichtet) entzogen. Und wird von einem nicht mehr kontrollierbaren Vorstand verwaltet, der noch dazu in vielen Fällen „selbsterneuernd“ ist.

Unger rät Stiftern, rechtzeitig vorzusorgen, die Stiftung einem „Audit“ zu unterziehen und die Urkunden so zu ändern, dass eine unternehmerische Führung der eingebrachten Unternehmen weiter möglich ist. Den Zugriff der Erben könne man unter anderem (allerdings nur für eine Generation) durch die Einrichtung einer Substiftung sichern, bei der die Erben als Stifter auftreten.

•Wichtigster Punkt sei, so der Experte, mehr Manager in die Stiftungsvorstände zu bringen. Das könne durchaus dazu führen, dass ein Berufsbild „Stiftungsvorstand“ entsteht. Derzeit werden Stiftungen in der Regel nebenberuflich von Anwälten geführt, die teilweise Dutzende solcher Funktionen gleichzeitig ausüben.

•Einflussmöglichkeiten sichert auch die Einrichtung eines „Aufsichtsrat-ähnlichen“ Beirats, der den Vorstand kontrolliert. Derzeit haben zwar schon 40 Prozent der heimischen Stiftungen einen Beirat, die meisten dieser Gremien haben aber nur Informationsrechte. Kontrollierende Beiräte mit Aufsichtsrats-Funktion haben nur ganz wenige Stiftungen.

•Den Vorständen müssten schon vom Stifter klare Ziele und Strategien vorgegeben werden, meint Unger. Das zwinge zu unternehmerischem Handeln und vermeide die finanzielle „Austrocknung“ von in Stiftungen eingebrachten Unternehmen, weil Vorstände dann gezwungen werden, Gewinne zu investieren, statt sie den unternehmen zu entziehen und in der Stiftung zu „bunkern“.

•Ratsam sei auch, die Unternehmensform zu überlegen. Eine Aktiengesellschaft eigne sich besser als eine GmbH. Und die Methode, nur einen Teil des Unternehmens in die Stiftung, den Rest aber an die Börse zu bringen, erzeuge ebenfalls Druck auf wirtschaftliches Agieren des Stiftungs-Vorstands.

Diese Methode haben übrigens einige große Unternehmen, wie etwa Mayr Melnhof, schon erfolgreich angewendet.

•Schließlich sieht Unger auch noch Anpassungsbedarf im Stiftungsgesetz: Das sei ganz klar in Richtung „Sparkassenfunktion“ der Stiftung konzipiert und lasse die unternehmerische Komponente vermissen.

60 Milliarden Vermögen

Derzeit existieren in Österreich schon 3002 Stiftungen, die rund 60 Mrd. Euro Vermögen (davon die Hälfte Firmenbeteiligungen) enthalten. Insgesamt beschäftigen die zumindest teilweise in Stiftungen eingebrachten Unternehmen (darunter A-Tec, Kika oder Swarowski) 260.000 Mitarbeiter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2007)

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