Mundpropaganda: „Der Manta wurde kaputtgeredet“

Die Presse (Fabry)
  • Drucken

Häufig verbreitet sich Kommunikation, die über den Markterfolg entscheidet, wie ein Virus unter den Konsumenten, sagt Martin Oetting von der deutschen Agentur „trnd“.

Klingt ungesund: Virusmarketing oder virales Marketing, wie es Martin Oetting mit seiner Agentur trnd betreibt. „Stimmt, auf Englisch hat man es da leichter. Und Mundpropaganda klingt auf Deutsch auch klobig“, meint Oetting im Gespräch mit der „Presse“. Die Agentur Haslinger, Keck hatte ihn diesmal als Referent zu ihrem jährlichen Kundenevent „Am Rande der Zeit“ nach Linz eingeladen.

Mundpropaganda – gab's die nicht schon immer? „Ja, aber je komplizierter die Welt wird, desto wichtiger wird sie. Die Leute sind darauf angewiesen, sich von Freunden und Bekannten sagen zu lassen, welche Produkte zu empfehlen sind und welche nicht.“ Neue Technologien verstärken den Trend noch: „Die Leute fangen an, im Internet ihre eigene Meinung zu veröffentlichen – dadurch nehmen die Unternehmen auch verstärkt Notiz davon, fast ungerechtfertigt spät, würde ich sagen.“

Dass Virusmarketing funktioniert, mussten schon die Hersteller des Opel Manta Ende der 80er-Jahre feststellen: „Die Leute haben den Manta richtiggehend kaputt geredet – und da gab es das Web noch gar nicht.“ Das Internet kann einen solchen Effekt beschleunigen. „Mundpropaganda ist extrem potent und durchschlagend – und man kann den Konzern oder ein Produkt googeln und dann findet man diese Informationen und Meinungen dazu.“

Wer erst einmal angeschwärzt ist, kommt aus diesem Strudel schwer wieder heraus. Kann man also mit Hilfe von gezieltem Virusmarketing einen Marketing-Supergau vermeiden? „Nein. Man kann das als Unternehmen nicht hundertprozentig steuern“, meint Oetting. Allerdings: „Ein Großteil der Kommunikation, die über den Markterfolg entscheidet, findet zwischen Konsumenten statt.“ Welche Möglichkeiten gibt es, diese zu beeinflussen?
•„Manche Produkte haben den Mundpropaganda-Faktor eingebaut – man bemerkt sie, wenn sie benutzt werden. In den 80ern war es die Polaroid-Kamera – wenn die einer auf einem Fest mithatte, haben sich die Leute dafür interessiert, ein ,ansteckendes‘ Produkt.“

Beziehungen zu den VIPs

•Auch Werbung kann ansteckend sein, Spiele im Internet etwa, auf die man Kollegen aufmerksam macht. Oder lustige Werbespots, die Web kursieren. Der Haken: „Solche Filme regen zwar oft die Konversation an – aber nicht über die Marke, sondern über den Film.“
•Oettings Agentur beschäftigt sich mit der dritten Form von viralem Marketing: „Indem man zu den richtigen Leuten die richtige Beziehung aufbaut – zu Meinungsbildner, Fans, Enthusiasten.“ Diese gelte es zu binden und zu VIPs zu machen, indem sie mitentscheiden, welche Werbung geschaltet wird oder indem sie Produkte testen. Von bezahlter Mundpropaganda hält Oetting wenig: „Diese Leute haben eine ganz andere Motivation. Echte Mundpropaganda ist ja deshalb so glaubwürdig und beliebt, weil kein kommerzielles Interesse dahinter steht.“ Sondern Überzeugung. Und was hält er von Tupper-Parties? „Da kaufen die Leute manchmal nur ein, weil sie Mitleid mit der Gastgeberin haben.“

50.000 Mitglieder sind in der trnd-Datenbank registriert. „Die interessieren sich für neue Produkte. Wir wählen jene aus, die das größte Interesse an der zu testenden Marke haben. Sie bekommen Insider-Infos und müssen uns Rückmeldung geben. So werden sie zu VIPs, zu Botschaftern.“

20 Kontakte pro Teilnehmer

Zur Kommunikation zwischen Testern und Unternehmen wird dann z.B. ein Blog eingerichtet. „Bei Fragen, etwa, ob man ein Lebensmittel auch während der Schwangerschaft essen darf, stellen wir Kontakt her.“

Der Effekt: „Die Leute fühlen sich privilegiert.“ Das wirkt sich auf die Mundpropaganda aus. „Wir bitten die Teilnehmer, uns Berichte zu schicken, was in der Mundpropaganda abgelaufen ist. Wir können also addieren: Im Schnitt sind es etwa 20 Kontakte pro Teilnehmer, das wissen wir aus den USA und Schweden. Und einer, der es direkt gehört hat, erzählt es auch weiter.“ Oetting rechne daher damit, dass ein Test mit 5000 Teilnehmern bis zu 420.000 Konversationen auslöse. Zu welchem Preis? „Eine vernünftige Kampagne kostet etwa so viel wie einzwei Anzeigen im ,Spiegel‘, 50.000 bis 100.000€.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2007)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.