Anbau von Gen-Mais in Europa fast verdoppelt

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Debatte. In der EU-Umweltpolitik tobt ein Richtungsstreit.

BRÜSSEL/WIEN. Gen-Mais setzt seinen Siegeszug in Europa fort. Laut einer am Montag veröffentlichten Studie der Lobbying-Organisation EuropaBio ist die Anbaufläche von Gen-Saaten in Europa gegenüber dem Vorjahr um 77 Prozent auf 110.000 Hektar gestiegen. EuropaBio liefert gemeinsam mit der US-Organisation ISAAA die weltweit einzigen verlässlichen Statistiken über den Anbau von Gen-Saaten.

Den absolut größten Zuwachs gibt es in Spanien, wo die Gen-Mais-Fläche nach Jahren der Stagnation sprunghaft um 40 Prozent auf 75.000 Hektar angewachsen ist. In den anderen europäischen Gentech-Ländern – in Frankreich, Tschechien, Portugal, Deutschland, der Slowakei, Rumänien und Polen – ist die Anbaufläche zwar kleiner, die Zuwachsraten sind aber durchwegs dreistellig. So hat sie sich in Frankreich auf 21.000 Hektar mehr als vervierfacht.

Der Grund für das explosionsartige Wachstum ist, dass sich die Gen-Mais-Sorte MON 810 gegen den Maiszünsler („European Corn Borer“) wehren kann. Dieses Schadinsekt breitet sich in Europa immer weiter aus, in den letzten Jahren häuften sich auch in Österreich die Schäden.

Österreich drohen Sanktionen

MON 810 – die einzige Gen-Pflanze, die in Europa im großen Stil gesät wird – enthält Gene des Bakteriums Bacillus thuringiensis (Bt) und produziert dadurch von sich aus ein Insektengift. Die Bauern ersparen sich das zusätzliche Spritzen mit Pflanzenschutzmitteln. Kritiker meinen freilich, dass die Langzeitfolgen von Bt-Mais auf Umwelt und Gesundheit unzureichend untersucht seien.

Wenig verwunderlich ist, dass sich gerade an MON 810 eine heftige politische Debatte in der ganzen EU entzündet hat. In Luxemburg stimmen die EU-Agrarminister heute, Dienstag, über das österreichische Importverbot von MON 810 ab: Wenn kein Wunder passiert, dann setzt sich die EU-Kommission nun im dritten Anlauf durch. Zweimal konnte Umweltminister Josef Pröll genug Verbündete gewinnen. Nun ist er eher pessimistisch – denn wie berichtet haben die USA den Druck auf die EU erhöht und drohen nun, gestützt auf ein Urteil der Welthandelsorganisation WTO, mit Handelssanktionen in der Höhe von zumindest 400 bis 600 Mio. Dollar.

Die Abstimmung ist zugleich ein Test für die künftige EU-Gentechnik-Politik. Nachdem 2004 das fünfjährige Moratorium von Gen-Saaten geendet hat, wurden zwar einige Sorten zugelassen. Nun gibt es aber eine Gegenbewegung: EU-Umweltkommissar Stavros Dimas will sich der Zulassung von neuen Mais-Sorten (Syngenta Bt-11 und Pioneer 1507) ebenso widersetzen wie der Markteinführung der Gen-Kartoffel Amflora (BASF).

Frankreich plant Verbot

In der EU-Kommission steht Dimas mit diesem Ansinnen recht alleine da. Allerdings gibt es in den EU-Mitgliedstaaten Bewegung: Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy will den Anbau von MON 810 ab sofort verbieten – bis eine neue französische Gentechnik-Behörde die Pflanze geprüft hat. Anbauverbote gibt es in weiteren Staaten wie Griechenland oder Ungarn. Rumänien hat den teils illegalen Anbau von Gen-Soja gestoppt und diskutiert nun über Gen-Mais.

Rechtliche Situation S. 12

LEXIKON

Gentechnisch veränderte Pflanzen – Soja, Baumwolle, Mais und Raps – gibt es seit 1996.

Größte Anbauländer sind die USA, Argentinien und Brasilien.

Gen-Saaten sind resistent gegen Schädlinge oder unempfindlich gegen Pflanzenschutzmittel.

Marktwert: 4,3 Mrd. Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2007)

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