Krisengipfel: EU kämpft gegen drohende Rezession

EPA (Laurent Gillieron)
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Die wichtigsten EU-Industriestaaten beraten gemeinsam Konsequenzen aus der US-Finanzmarktkrise. Der britische Premier Brown trifft Merkel, Sarkozy und Prodi in London. Auch Barroso wird erwartet.

Die Staats- und Regierungschefs führender europäischer Industrienationen kommen am Dienstag in London zusammen, um über die Entwicklung auf den Finanzmärkten zu beraten. Nachdem die US-Notenbank Fed die Zinsen diese Woche neuerlich senken dürfte, werden auch in Europa die Rufe nach billigerem Geld lauter.

An dem Gespräch unter dem Vorsitz des britischen Premierminister Gordon Brown nehmen EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, der französische Präsident Nicolas Sarkozy und auch der italienische Ministerpräsident Romano Prodi teil. Damit sind alle europäischen Mitglieder der G-8 vertreten.

Die Idee zu dem so genannten Elefantentreffen hatte der britische Premier Gordon Brown bereits Anfang Jänner. Brown kündigte an, mit Merkel und Sarkozy über die Krise an den Finanzmärkten sprechen zu wollen.

Dringender Anlass

Mittlerweile ist der Anlass zu Gesprächen dringender denn je. Die durch Risikokredite am US-Hypothekenmarkt ausgelöste Krise löste auch einen Kursrutsch an den internationalen Aktienmärkten aus. Auch zahlreiche internationale Großbanken wurden in Mitleidenschaft gezogen und mussten Milliardenabschreibungen vornehmen. Dazu gehören etwa Merrill Lynch oder Citigroup in den USA, oder UBS und die Deutsche Bank in Europa.

Die Lage in der Konjunkturlokomotive USA wird von den dortigen Verantwortlichen inzwischen mehr als ernst eingeschätzt: Präsident George W. Bush verkündete vergangene Woche ein Konjunkturprogramm in Höhe von 150 Milliarden Dollar.

Zuletzt hatte die US-Notenbank Fed am Freitag die Leitzinsen außerplanmäßig deutlich gesenkt und damit ein weiteres rasantes Fallen der Kurse vorerst gestoppt. Für diesen Mittwoch rechnen Beobachter mit einer weiteren Zinssenkung.

Die Ziele: Mehr Transparenz und ein Frühwarnsystem

Die Reaktionen der EU auf diese Entwicklung und die Lehren aus den globalen Finanzturbulenzen werden also das Hauptthema des Treffens in London sein. Im Vorfeld war von der Schaffung eines Frühwarnsystems und einer engeren Zusammenarbeit im Umgang mit Liquiditätsproblemen die Rede. 

Allerdings setzen die Staatschefs unterschiedliche Schwerpunkte. So pocht die deutsche Kanzlerin Merkel auf mehr Transparenz auf den Finanzmärkten und bei den hochspekulativen Hedge-Fonds , den so genannten "Heuschrecken". Weil bei dem Treffen alle europäischen Mitglieder der G-8 zusammenkommen, will sie gleichzeitig auch das kommende G-8-Treffen vorbereiten.

Nach anfänglicher Skepsis teilt Großbritanniens Premier Brown inzwischen Merkels Standpunkt in Bezug auf die Hedge-Fonds: "Wir müssen sicherstellen, dass es mehr Transparenz gibt, damit die Leute draußen wissen, was im System los ist", wird Brown von der Nachrichtenagentur Reuters zitiert.

Kritik von Seiten kleinerer Staaten

Für Romano Prodi dagegen dürfte der Termin in London eine Abschiedsvorstellung werden. Lange Zeit war Prodis Teilnahme ungewiss, da er vergangene Woche nach seiner Abstimmungsniederlage im italienischen Senat seinen Rücktritt eingereicht hatte. Dieser wurde aber von Staatspräsident Giorgio Napolitano bisher nicht angenommen, weshalb Prodi die Regierungsgeschäfte bis auf weiteres führt.

Aus den Kreisen kleinerer EU-Staaten kam Kritik an dem so genannten Elefantentreffen. Einige Große würden Dinge bereden, die für die gesamte EU von Belang seien, sagte etwa Premier Guy Verhofstadt. Auch der letzten und der derzeitigen EU-Ratspräsidentschaft in Portugal und Slowenien kam Kritik. Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker will sich dieser Kritik jedoch nicht anschließen:  "Ich kann ihnen, nachdem ich mit einigen der Teilnehmer gesprochen habe, versichern, dass sie keinerlei Entscheidungen treffen werden."

(Ag./Red.)

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