Defizitexplosion: Der Staat sitzt in der Schuldenfalle

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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20 Prozent der Staatseinnahmen gehen schon für die Zinsen der Staatsschuld drauf, bald könnten es 30 sein. Der Bund sitzt in der Schuldenfalle und verliert seine Bewegungsfähigkeit.

Der offizielle Ausblick ist trist genug: Entsprechend dem nach Brüssel gemeldeten Stabilitätsprogramm für die Jahre 2008 bis 2013 wird die Staatsschuld laut Regierung in den nächsten vier Jahren von derzeit 169 Milliarden auf 247 Milliarden Euro steigen. Die jährlichen Zinszahlungen, die der Staat für seine Schulden bezahlen muss, werden von 7,6 auf 11,4 Milliarden Euro steigen. Jahr für Jahr werden bis dahin die Staatsausgaben die Einnahmen um zwölf bis 13 Milliarden Euro übertreffen.

Ein Horrorszenario, das selbst der Chef des Staatsschuldenausschusses, Bernhard Felderer, als „viel zu optimistisch“ einschätzt. Denn diese Zahlen basieren noch auf der Annahme, dass die österreichische Wirtschaft heuer real um 2,2 Prozent schrumpfen wird. Unterdessen halten die Prognosen der Wirtschaftsforscher aber bei einem Konjunkturrückgang von mehr als vier Prozent. Das bedeutet noch weniger Steuereinnahmen und noch mehr Ausgaben beispielsweise für Arbeitslosenunterstützung oder Bankenhilfen.

Für den Wiener Steuerberater Günther Robol, der im sogenannten „Föhrenbergkreis“ den Arbeitskreis Finanzwirtschaft leitet, ist diese Entwicklung alarmierend. Besonders, wenn man die Schulden der wahren Finanzkraft des Staates gegenüberstellt: Staatsschulden und Defizit werden immer als Prozentsatz des Bruttoinlandsprodukts (BIP), also der gesamten Wirtschaftsleistung, angegeben. Dem Staat steht zur Bedienung der Staatsschuld aber nicht das BIP zur Verfügung, sondern nur seine Einnahmen, die überwiegend aus Steuern kommen.

Lage sieht dramatisch aus


Bei dieser Betrachtungsweise sieht die Lage schon jetzt relativ dramatisch aus. Im jüngsten Bericht des Staatsschuldenausschusses heißt es, dass schon heuer 19,3 Prozent der Nettosteuereinnahmen (Einnahmen abzüglich jener Gelder, die an die Länder weitergeleitet werden) des Bundes für Zinszahlungen draufgehen. Vor einem Jahr waren es 14,9 Prozent, 2010 wird die 20-Prozent-Marke überschritten werden. Dann rollt jeder fünfte Euro, den der Bund netto einnimmt, als Zinszahlung an die Gläubiger des Staates. In den nächsten Jahren wird sich dieser Wert deutlich erhöhen, denn die Einnahmen stagnieren, während die Zinszahlungen stark steigen.
Die effektive Staatsschuld wird 2013 also viel höher sein als die vom Finanzministerium prognostizierten 247 Milliarden Euro. Dazugezählt werden müssen de facto ja dann auch die rund 40 Milliarden außerbudgetärer Finanzierung (überwiegend für Bahn und Asfinag), die zwar nicht im Budget aufscheinen, für die der Bund aber haftet. Und ein „Korrekturbedarf“, den Robol mit mindestens 50 Milliarden Euro ansetzt.

Darin enthalten sind Mindereinnahmen und Mehrausgaben des Staates, die entstehen, weil sich die Wirtschaft viel schlechter entwickelt als dem Budgetprogramm zugrunde gelegt. Hinzu kommen Zinsausfälle aus dem Bankensanierungspaket (schon jetzt bezahlen zwei Banken mangels Gewinns ihre Zinsen für das Rettungspaket nicht), weitere Bankenhilfen, falls sich, wie befürchtet, die Kreditausfälle massiv häufen, Ausfälle bei Exportgarantien und steigende Refinanzierungskosten. Robol meint, dass sich die Zinsbelastung dadurch bis 2013 durchaus auf 20 Milliarden Euro erhöhen könnte. Das wären dann 30 Prozent der Bruttostaatseinnahmen.s

Es wird weitergetrickst


Wo immer die Zinsbelastung zwischen den optimistisch angenommenen 20 und den pessimistisch betrachteten 30 Prozent zu liegen kommt, sie schränkt den Handlungsspielraum des Bundes dramatisch ein: Die Zinsen (Tilgungen noch nicht eingerechnet) werden 2013 nach dem Sektor „Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie“ der zweitgrößte Ausgabenbrocken im Budget sein. Noch vor den Bereichen „Bildung, Forschung, Kunst und Kultur“) und noch relativ weit vor den nicht ganz unwichtigen Bereichen „Wirtschaft, Infrastruktur und Umwelt“.

Robol hält diese Situation für mit konventionellen Mitteln nicht mehr beherrschbar, zumal ja im Budget fröhlich weitergetrickst werde. So muss sich etwa die Bundesimmobiliengesellschaft auf dem Kapitalmarkt mit einer Milliarde Euro verschulden, weil die Miete für die in BIG-Besitz stehenden Schulen aus budgetären Gründen „gestundet“ wurde. Und die ÖIAG habe an den Bund eine kreditfinanzierte Dividende von 500 Millionen Euro ausschütten müssen, obwohl sie 2008 einen Jahresverlust von 600 Millionen Euro erlitten habe.

Felderer ist optimistischer: Der Chef des Staatsschuldenausschusses glaubt, dass der derzeitige Verschuldungsschub – freilich über sehr lange Zeit, möglicherweise über Jahrzehnte – zurückgeführt werden kann. Freilich nur, wenn – vor allem in den Bundesländern – endlich Strukturreformen durchgeführt würden. Und wenn die Wirtschaft wieder stärker wächst.

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