Lohndrücker Schlecker laufen die Kunden davon

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Der Umsatz der Drogeriemarktkette brach in Deutschland bis April um 16 Prozent ein, in Österreich um sieben Prozent. Die GfK-Marktforscher erklären das mit Berichten über die schlechte Bezahlung der Mitarbeiter.

Wien(gau). Oft schon wurde er beschworen: der mündige Konsument, der nicht nur auf billige Angebote, sondern auch auf kritische Medienberichte über Handelsorganisationen sensibel reagiert. Zumindest in Deutschland scheint es ihn zu geben, und das in stattlicher Zahl: 1,7 Millionen Haushalte, über zehn Prozent der Kundschaft, haben den Schlecker-Märkten zwischen Jänner und April den Rücken gekehrt und sind zur Konkurrenz abgewandert – zu dm, Rossmann und Müller, vor allem aber zu Lebensmitteldiskontern und Supermärkten. Das kostete die Drogeriemarktkette knapp 200 Mio. Euro oder 16 Prozent ihres Umsatzes. In Österreich waren es sieben Prozent, profitiert haben davon vor allem Spar und Hofer.

Die Marktforscher von GfK, die die deutschen Zahlen erhoben haben, führen den Einbruch auf den Imageschaden zurück, der durch die Diskussion über Lohndumping entstanden ist. Kein vorübergehendes Phänomen: „Verbraucher bestrafen solche ethischen Fehltritte durch dauerhaften Vertrauensentzug“, erklärte GfK-Experte Wolfgang Twardawa in der deutschen „Wirtschaftswoche“.

Selbst die FDP übte Kritik

Anton Schlecker und seine Frau Christa waren im Jänner ins Trommelfeuer geraten. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi warf dem Unternehmerehepaar vor, die Kollektivverträge systematisch zu unterlaufen. Tausende Frauen seien gekündigt worden, um sie zu einem Stundenlohn von 6,78 Euro als Leiharbeiter neu einzustellen. Die Gewerkschaft sah es als erwiesen an, dass die Zeitarbeitsfirma Meniar nur zu diesem Zweck „konzernintern gegründet“ worden war. Die Zentrale in Ehingen wies die Vorwürfe als „Diffamierungskampagne“ zurück, reagierte aber im Übrigen auf den Proteststurm mit einem Rückzugsgefecht, das einem Schuldeingeständnis gleichkam: Schon im Jänner erklärte sie, keine neuen Verträge mit der Leiharbeitsfirma abzuschließen.

Und erst vor einer Woche setzte sich die Gewerkschaft gegen die allzu sparsamen Schwaben durch: Für alle 34.000 deutschen Mitarbeiter gelten künftig branchenübliche Tarifverträge. Der Fall ist auch ein Politikum. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) drohte mit Überprüfungen. Selbst ein Sprecher der wirtschaftsliberalen FDP sagte: „So, wie das bei Schlecker lauft, darf das nicht sein.“ Dazu kam das Pech, dm als Konkurrenten zu haben. Dessen Gründer Götz Werner präsentiert sich oft und gern als Vorzeigeunternehmer, dem das Wohlergehen seiner Mitarbeiter über alles geht.

Ist aber der Umsatzeinbruch bei Schlecker tatsächlich auf die Lohndiskussion zurückzuführen? Auf Onlineforen nennen die meisten kommentierenden Konsumenten andere Gründe, nicht mehr bei Schlecker zu kaufen: Läden und Sortiment seien nicht mehr zeitgemäß, die Preise nicht mehr so attraktiv wie früher.

Tatsächlich befindet sich der Drogeriediskonter seit einigen Jahren im Abwärtstrend. Sehr erfolgreich hatte er sich mit kleinen, hoch effizient bewirtschafteten Geschäften bis ins kleine Dorf flächendeckend etabliert. Aber „das Konzept ist problematisch geworden“, erklärt Handelsexperte Thomas Reutterer von der WU Wien: „Nur über den extremen Preisvorteil verkaufen funktioniert nicht mehr.“ Die Gegenstrategie mit großen, einladenden „XL“-Filialen kam relativ spät.

Im Vorjahr gingen die Umsätze in Deutschland um knapp acht Prozent auf 4,7 Mrd. Euro zurück. Der Imageschaden scheint also die Tendenz verdoppelt zu haben. „Wenn ich schon schwach dastehe“, meint Reutterer, „ist eine solche Diskussion das Letzte, was ich brauche.“ Auch er stellt fest, dass Kunden „wesentlich sensibler“ auf Medienberichte reagieren als früher. Ähnliches war bei Lidl zu beobachten, als Mitarbeiter mit Kameras überwacht wurden.

Foxxcon verdoppelt Löhne

Auch im fernen Asien zeigt öffentlicher Druck auf Unternehmen Wirkung: Foxxcon, der weltgrößte Zusammenbauer von Elektronikprodukten, der durch eine Selbstmordserie in die Schlagzeilen geraten ist, erhöht die Löhne im südchinesischen Werk Shenzhen – auf das Doppelte.

DIE FIRMA SCHLECKER

Die Schlecker Drogeriemärktemit Sitz im schwäbischen Ehingen wurden von Anton Schlecker 1975 gegründet. Die Kette expandierte rasch und verfügt heute als weltweiter Marktführer im Drogeriesegment über 14.000 Filialen, vor allem in Deutschland, Österreich und Spanien. Mit 52.000 Mitarbeitern wurde 2008 ein Umsatz von 7,4 Mrd. Euro erzielt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2010)

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