„Ungeheuerlicher Verdacht“: Ist das Geld doch nicht weg?

Die Presse (Bruckberger)
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Bawag-Prozess. Die Bawag verlor Unsummen, aber wer gewann? Viele Beobachter glauben nicht an einen "Totalverlust".

WIEN. Wie kann man beim Spekulieren alles verlieren? Die wohl am häufigsten gestellte Frage beim Bawag-Prozess. Der Investmentbanker Wolfgang Flöttl wird angeklagt, 1,4 Milliarden Euro – Geld der Bawag – in den (karibischen) Sand gesetzt zu haben. Die Anklage wirft ihm Untreue vor und geht von einem „Totalverlust“ aus.

Viele Beobachter glauben aber nicht an einen „Totalverlust“. Von der Mutmaßung, dass irgendwo noch irgendeine Summe „geparkt“ ist, bis zur handfesten Verschwörungstheorie – die verschiedensten Überlegungen werden gewälzt. Am Dienstag, beim 44. Verhandlungstag, kocht der Verdacht, dass Flöttl auch in die eigene Tasche gewirtschaftet haben könnte, wieder hoch.

„Ein ungeheuerlicher Verdacht“, sagte Flöttl empört. Belebt wird dieser „ungeheuerliche Verdacht“ durch die Fragen eines Verteidigers. Peter Schmautzer, der Anwalt des angeklagten Ex-Bawag-Vorstandes Hubert Kreuch, sagt, er habe „so etwas in einem anderen Verfahren schon erlebt“. Gemeint ist folgendes: Bei bestimmten Spekulationen gibt es auf der einen Seite einen Gewinner, auf der anderen einen Verlierer. Oder umgekehrt. So ist das etwa bei Devisenswaps, das sind praktisch Wetten auf steigende oder fallende Kurse. Schmautzer will nun wissen: Wer genau stand bei bestimmten Flöttl-Geschäften auf der Gegenseite? Waren es gar Flöttl-Firmen?

Freilich lässt der angesprochene Investmentbanker einen solchen Verdacht nicht auf sich sitzen. Wären die Verluste der ihm anvertrauten Bawag-Gelder auf der anderen Seite wieder in seine Taschen geflossen, wäre dies bei den Banken, über die die Transaktionen liefen, sofort aufgefallen. Außerdem stimme er jederzeit einer diesbezüglichen Untersuchung durch die Soko „Bawag“ zu.

Stellt sich natürlich die Frage, warum eine solche Untersuchung nicht längst durchgeführt wurde. Indessen sickerte aus der Soko durch, dass man sich wundere, warum die Bawag nicht von sich aus nach Eintritt der Verluste Erkundigungen bei den von Flöttl eingeschalteten Großbanken einholte. Dies muss nun im Prozess nachgeholt werden. Spätestens im gerichtlichen Vorverfahren hätte dies eigentlich erledigt werden müssen.

Es war die Flöttl-Firma Ross Capital, die das (mittlerweile zerschlagene, damals aber angesehene) Wirtschaftsprüfungsunternehmen Arthur Andersen beauftragte, sogenannte Verlust-Audits einzuholen. Das Resultat des Audits für die Verluste aus dem Jahr 2000, stolze 464 Mio. €, wird nun von einem Soko-Beamten im Zeugenstand erörtert: Demnach sind die Verluste „im Großen und Ganzen“ tatsächlich eingetreten. Bei wem das Bawag-Geld letztlich landete, sei bisher nicht eruiert.

Elsner: „Es wird geschwindelt“

„Im Großen und Ganzen“? Arthur Andersen habe 100 Prozent der Unterlagen bekommen, daraus ein Sample von 69,6 Prozent gezogen. Flöttl-Anwalt Christian Hausmaninger fragt nach: „Aber diese 69,6 Prozent sind zu 100 Prozent nachvollziehbar.“ Der Zeuge bejaht, ergänzt aber: „Es bleibt trotzdem eine Kluft zwischen dem, was geprüft und dem, was behauptet wurde.“ Diese Kluft in Zahlen ausgedrückt: 142 Mio. €.

Helmut Elsner hält sich diesmal weitgehend zurück. Eine ätzende Bemerkung in Richtung Flöttl wird er aber doch los: „Da wird soviel geschwindelt, das ist unfassbar.“

43.000 TRANSAKTIONEN

Als Zeugen des Bawag-Prozesses sagten zwei Beamte der Sonderkommission „Bawag“ aus: Es seien im Zuge von vier Kontoöffnungs-Beschlüssen die Konten von 47 Gesellschaften geöffnet worden, 43.000 Transaktionen wurden dabei untersucht. Dabei konnten die Verluste im wesentlichen bestätigt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2007)


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