Hilflos gegen das Inflationsgespenst

(c) AP (Rick Bowmer)
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Es wird langsam Zeit, Geldvermögen gegen Entwertung abzusichern. Wer den jetzigen – eher verlegen klingenden – Beteurungen der Notenbanker glaubt, könnte unangenehme Überraschungen erleben.

Im idyllischen Jackson Hole (Wyoming) haben die europäischen und amerikanischen Topnotenbanker am Wochenende getagt. Und von dort, aus dem amerikanischen Hinterwald, haben sie uns zwei wichtige Botschaften signalisiert: Erstens, die manchmal etwas drastisch an die Wand gemalte Gefahr einer Deflation (wirtschaftsschädliches starkes Sinken des Preisniveaus auf breiter Front) existiert praktisch nicht mehr. Und zweitens, wir sollten langsam anfangen, uns vor kräftiger Inflation zu fürchten. Die Herren des Geldes haben einander nämlich zu „erhöhter Wachsamkeit“ vor dem Inflationsgespenst aufgerufen. Man hat aber weiter nicht den Eindruck, dass sie wirkliche Strategien zur Verscheuchung dieses Gespensts parat haben.

An sich ist die Lage ja übersichtlich: Regierungen und Notenbanken haben den dramatischsten Fall der Weltkonjunktur seit 80 Jahren erfolgreich – wenn auch nur vorläufig – gestoppt, indem sie unfassbare Summen an Dollars, Euros und Yen in den Markt geschüttet haben. Der sonst fast unausweichliche Zusammenbruch der Weltwirtschaft ist damit verhindert worden.

Obwohl schon mehrere Dollar-Billionen neu generierten Geldes solcherart im Markt herumschwirren, ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Das klassische Keynes-Doping für die Weltwirtschaft hat nämlich noch nicht zu selbsttragendem Konjunkturaufschwung geführt. Im Gegenteil: Im Herbst werden in allen Industrieländern noch einmal die Arbeitslosenraten und die Kreditausfälle hochschnellen, wodurch Staaten noch einmal tief in den Geldtopf werden greifen und Notenbanken, bildlich gesprochen, noch einmal die ohnehin schon glühenden „Gelddruckmaschinen“ werden anwerfen müssen.

Das alles wird zu wirklich abenteuerlichen Staatsverschuldungen führen. Vor allem in den USA, aber auch in Europa. In Österreich beispielsweise, wo es mit viel politischem Bauchweh verbundener mehrjähriger Sparbemühungen bedurft hatte, um die Staatsschulden in der Hochkonjunktur von ein bisschen über 60 auf ein bisschen unter 60 Prozent des BIPs zu bringen, wird die Staatsschuld – selbst wenn nichts Großes mehr passiert – binnen Kurzem auf über 80 Prozent schnellen.

Wenn die Wirtschaft wieder anspringt, dann wird spätestens 2011 oder 2012 eine weitgehende Auslastung der Kapazitäten auf sehr hohe, im Markt herumschwirrende Überschussgeldmengen treffen. Was das für die Preise bedeutet, kann man sich auch ohne Volkswirtschaftsstudium leicht ausmalen. Der Investor Warren Buffett hat das als Bedrohung bezeichnet, die „so verhängnisvoll wie die Krise selbst“ sei.

Die Notenbanken müssen also nicht nur wachsam sein, sie müssen bis dahin auch einen Großteil des in den Markt gepumpten „Krisengeldes“ wieder aus dem Kreislauf herausbringen. Indem sie etwa den Geldhahn zudrehen und die Zinsen ordentlich hochsetzen. Das würgt die anspringende Konjunktur leider gleich wieder ab.

So – und jetzt sehen wir uns einmal an, welche Möglichkeiten Staaten haben, ihre völlig ausufernden Verschuldungen wieder abzubauen: Im Wesentlichen sind das Steuererhöhungen, hohe BIP-Wachstumsraten (mit entsprechend höherem Steueraufkommen) – und eben Inflation.

Zu glauben, dass man die derzeitige globale Defizitexplosion auch nur annähernd mit höheren Steuern kompensieren kann, würde wohl auf eine klinische Form von Realitätsverlust hindeuten. Höhere Wachstumsraten wird es lange Zeit auch nicht geben. Schon gar nicht, wenn die Notenbanken zwangsweise in die Konjunktur hineinbremsen. Bleibt, erraten, Inflationierung.

Das wird zwar kein Politiker, der bei Trost ist, offen aussprechen. Aber natürlich wäre es für die Finanzminister der Industrieländer höchst komfortabel, wenn die Teuerungsraten das BIP-Wachstum eine Zeit lang deutlich überstiegen. Theoretisch könnten die formell ja unabhängigen Notenbanken das verhindern. In der Praxis werden sie konzertiertem politischem Druck nicht standhalten. Denn die Gremien der unabhängigen Notenbanken werden noch immer von den jeweiligen Regierungen besetzt.

Es ist also keineswegs falsch, damit zu beginnen, sein Geldvermögen gegen einen Entwertungsschub abzusichern. Wer den jetzigen – eher verlegen klingenden – Beteurungen der Notenbanker glaubt, könnte unangenehme Überraschungen erleben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2009)

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